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Alle glauben: Der Franz, der kann's

■ Dem designierten SPD-Generalsekretär Franz Müntefering könnte es auch dieses Mal gelingen, die zerstrittenen Genossen zu befrieden

Nun soll Franz Müntefering wieder einmal die Kohlen für die SPD aus dem Feuer holen. Mit der Entscheidung, den Westfalen zum Generalsekretär der SPD zu machen, greift Kanzler Schröder auf einen bewährten Genossen zurück. Denn dem 59-jährigen Müntefering ist es schon einmal gelungen, die zerstrittene Partei zu befrieden: vor knapp vier Jahren, nachdem der damalige Parteivorsitzende Rudolf Scharping ihn zum Bundesgeschäftsführer berufen hatte und er diese Funktion auch unter dem neuen Parteichef Oskar Lafontaine innebehielt.

Vor allem aber trug Müntefering wesentlich mit einer professionellen Kampagne und einer von der SPD-Baracke unabhängigen Wahlkampfzentrale wesentlich dazu bei, den Sozialdemokraten nach 16 Jahren Opposition wieder an die Macht zu verhelfen. Leise hatte sich der bodenständige Westfale neben Schröder, Lafontaine und Scharping zur vierten Machtfigur in der SPD entwickelt.

Mit Müntefering – dem Gewerkschaftler, Ex-Juso, Ex-Landesminister, Chef des mitgliederstärksten Landesverbandes NRW und Noch-Bundesbau- und -Verkehrsminister – werden sich vor allem jene Parteilinken beruhigen lassen, die in der „Neuen Mitte“ des Bundeskanzlers den Verrat an altehrwürdigen sozialdemokratischen Werten sehen. Der SPD-Parteitag im Dezember wird sich einer Aufwertung Münteferings zum SPD-Generalsekretär auf jeden Fall nicht verschließen.

Der aus einer katholischen Arbeiterfamilie stammende Müntefering ist ein uneitler und redlicher Parteisoldat. Er denkt zuerst an die SPD und erst viel später an seine eigene Erfolgsdarstellung. Sich wie Schröder in Designerklamotten ablichten zu lassen käme dem gelernten Industriekaufmann zweifelsohne nicht in den Sinn.

Schon deswegen ist er für den Kanzler und Parteivorsitzenden Schröder, der mit seiner Partei nur wenig am Hut hat, sie für den Machterhalt aber braucht, die Idealbesetzung. Dem sauerländischen Kaufmann Müntefering glauben die Mitglieder, während sie dem arrivierten „Genossen der Bosse“ misstrauen. Der ambitionslose Müntefering ist das ideale Bindeglied zwischen dem Kanzler und der Partei. Gleichzeitig ist er bar jeden Verdachts, Schröder die Rolle der Nummer eins streitig machen zu wollen. Beim heimlichen „Spieglein, Spieglein an der Wand“-Spiel von Schröder und Lafontaine hielt sich Müntefering stets bedeckt: loyal und unabhängig gegenüber beiden.

Ruhig, aber beharrlich, stark, aber unauffällig ist er für die Genossen der Krisenmanager schlechthin geworden. Wann immer es in der SPD in den vergangenen Monaten kriselte, dachten die Genossen an den Sauerländer: „Der Franz, der kann's.“

Als Scharping nach der gewonnenen Bundestagswahl im vorigen Jahr als Fraktionsvorsitzender ausgewechselt werden sollte, fiel der Name Müntefering. Und dieser – so heißt es – hat den Job nur deswegen nicht gemacht, weil das offenen Streit in der SPD-Spitze bedeutet hätte. Den wollte der clevere Parteimanager vermeiden.

Im März wurde Müntefering anlässlich des Blitzrücktritts von NRW-Justizminister Reinhard Rauball als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2000 ins Gespräch gebracht – für den Fall, dass der derzeitige Ministerpräsident Wolfgang Clement seinen Laden nicht in den Griff bekommt. Und als der glücklose Fraktionsvorsitzender Peter Struck im Sommertheater seiner Partei auf der ruhmlosen Hauptrolle bestand, war wieder von Müntefering als möglichem Nachfolger die Rede. Nun also hat er erneut die Aufgabe, die krisengeschüttelte Partei zu organisieren und bis zu den Bundestagswahlen 2002 auf Vordermann zu bringen. Wie beim ersten Mal bleiben ihm dafür drei Jahre.

Karin Nink, Berlin

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