piwik no script img

Doppelsehen wie im Rausch

Die Hanfbier-Brauer werden von den Behörden schikaniert  ■   Von Ole Schulz

Der reine „Behördenirrsinn“ sei das Ganze, schimpft Asbjörn Gerlach von der Bier-Company in Berlin. Vor zwei Jahren hatte der diplomierte Braumeister mit zwei Partnern ein Bier kreiert, das dem Reinheitsgebot nicht ganz entspricht: „turn“. Fast 100.000 Flaschen des alkoholhaltigen Hanftrunks verkaufen die Kreuzberger Alternativbrauer im Jahr. Doch bisher dürfen sie ihr Getränk weder Bier nennen, noch haben sie eine Genehmigung für den Verkauf erhalten. „Wir arbeiten in einer Grauzone“, so Gerlach.

Denn turn enthält neben Wasser, Hopfen, Hefe und Malz auch Hanfblüten als aromatischen Zusatz. Der „Deutsche Brauer-Bund“ intervenierte umgehend: Nach dem „Vorläufigen Biergesetz“ sei es nicht zulässig, das Gebräu Bier zu nennen – seitdem muss die Bier-Company ihr Produkt umständlich unter dem Titel „Der alkoholhaltige Trunk mit Hanfblüten“ führen.

„Wir sind ein junges, innovatives Unternehmen, das mitten in Kreuzberg, einem der sozial schwächsten Bezirke Berlins, zehn Arbeitsplätze geschaffen hat“, beschwert sich Gerlach. Im schlimmsten Fall werde man turn bald im Ausland herstellen lassen. Denn in Dänemark und Großbritannien, wohin turn exportiert wird, hat man schon eine uneingeschränkte Zulassung erhalten. Und ein EU-Produkt, das im Land seiner Erzeugung verkehrsfähig ist, ist automatisch auch in den übrigen EU-Ländern zugelassen.

Alfredo Dupetit, der mit „Cannabia“ 1996 das erste bierartige Hanfgetränk auf den Markt gebracht hat, plagen ähnliche Sorgen: Das „Chemische Untersuchungsamt“ in Mainz monierte etwa noch am Anfang des Jahres, dass die Bezeichnung „Hanftrunk“ mit einem gedoppelten Schriftzug auf die Flaschen aufgedruckt sei, was dem Konsumenten ein „Doppelsehen wie im Rausch“ suggeriere. Dies stelle eine „Irreführung“ dar, weil das Getränk wegen des niedrigen THC-Anteils gar keine „besonders stimulierende Wirkung“ habe. Dabei sind die beanstandeten Etiketten schon lange ersetzt worden, wundert sich Dupetit über die krude Argumentation der gestrengen Lebensmittelwächter.

Dass Hanfprodukte immer noch argwöhnisch beäugt werden, musste zuletzt auch das Berliner HanfHaus erfahren: Mitte Mai durchsuchte die Drogenfahndung die Zentrale des HanfHauses in Kreuzberg und beschlagnahmte kistenweise Hanf-Lollis, Bier, Lebensmittel, Vogelfutter sowie sämtliche Geschäftsunterlagen. Die Aktion erwies sich jedoch als „voller Schlag ins Wasser“, frohlockt Roland Winiossek, einer der Geschäftsführer des HanfHauses. Inzwischen wurden fast alle Waren wieder zurückgegeben. Im Juli wies das Landgericht zwar eine Beschwerde des HanfHauses gegen die Durchsuchung zurück, machte die Ermittlungsbehörden aber darauf aufmerksam, dass Hanfprodukte mit einem THC-Gehalt von unter 0,3 Prozent keine Betäubungsmittel sind.

Trotz aller Widrigkeiten – zumindest die Jungs von der Bier-Company lassen sich ihre gute Laune nicht verderben: Im Keller ihres Kreuzberger Stammsitzes haben die Bier-Gourmets bisher über 60 verschiedene Sorten für ihren eigenen Ausschank gebraut – vom Honig-Ingwer- bis zum Maniok-Chili-Bier. Und dem Kanzler Schröder machten sie unlängst ein besonderes Gastgeschenk: Beim offiziellen Umzugsfest schenkten sie ein knallrotes Bier aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen