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Grüne quälen sich strukturell

■ Mitgliederversammlung auf der Suche nach neuen Kräften für die Parteiführung / Nur abgewählte Männer drängen an die Spitze

„Krise“ ist angesagt beim Bremer Landesverband der Grünen und den ganzen Samstag Nachmittag werden sich die Mitglieder mit sich selbst und ihrer Krise befassen. „Es geht um Lust und Unlust auf Politik“, steht im ersten Debattenbeitrag eines grünen „Readers“. Auf gut 50 Seiten breiten sich 18 Grüne dort über die Krise aus, 18 Meinungen und keine Rettung in Sicht. Günter Dey, der diese Frage nach der Lust und Unlust als des Pudels Kern formuliert hat, sieht die Ursachen in dem landespolitischen „Bremer Desaster“, in dem sich schwerlich eine lustvolle grüne Politik formulieren ließe. Aber er benennt auch die strukturellen grünen Selbstblockladen.

Es geht auf der Landesmitgliederversammlung (LMV) an diesem Wochenende um eine neue Führung der Grünen, die bei der nächsten Bürgerschaftswahl zum Erfolg beitragen kann. Der bisherige amtierende Landessprecher Hucky Heck, ein talentierter und redegewandter Kopf, hat klar gesagt, daß die Repräsentation einer Partei „nebenamtlich“ nicht machbar sei. Professionalisierung ist also das Stichwort, aber dafür fehlt das Geld, und es müßten, so will es die Satzung, ein Drittel der Mitglieder (173) in die Versammlung kommen und davon zwei Drittel für eine Satzungsänderung stimmen. Das ist in einer Zeit, in der von Politik keine „Lust“ mehr ausgeht, unwahrscheinlich.

Zudem haben die Grünen ein Frauen-Quotum: Die heutige ist nicht die erste „LMV“, auf der es keine Kandidatin für den Quoten-Platz an der Spitze der Bremer Grünen gibt. Und die Frauen, die für Beisitzer-Posten kandidieren, sind innerhalb der Grünen nicht als Spitzenkräfte aufgefallen.

Bei den Männern gibt es offenbar mehr Lust an der Unlust des Sprecheramtes, aber das spricht nicht für die Männer. Mit Klaus Möhle und Wolfram Sailer wollen zwei auf den Sprecher-Posten, die auf der Mitgliederversammlung im Februar, auf der die Kandidaten für die Bürgerschaft gewählt wurden, nicht die erste Wahl waren. Zwei, die gekämpft haben und durchgefallen sind, krass gesagt. Sailer hat bei den Grünen eher als schwieriger Querkopf aus der Ampel-Koalitionszeit einen Namen, Möhle ist zwar ein politisches Talent als Redner, hasst aber die gründliche Arbeit am Schreibtisch. Beide hatten in vier Jahren Bürgerschaft die Chance, sich als politische Köpfe zu profilieren. Bei beiden hatten die Mitglieder offenbar im Frühjahr nicht den Eindruck, dass das geklappt hat. Wenn die Struktur des Landesvorstandes ehrenamtlich schlecht organisiert ist und die Politik eher „Unlust“ verbreitet, dann drängen Leute ins Vorstandsamt, die beruflich nicht ganz ausgelastet sind oder andere Misserfolge kompensieren müssen.

Aufgrund der Bremer Misere, schreibt der Ökonom Günter Dey, ist es nicht so einfach, die Frage „Warum sind wir so wenig attraktiv?“ konstruktiv zu beantworten. Derzeit profilieren sich die Grünen als „Spielverderber“, als „Nein-Sager“, bestenfalls als „sympatisch, aber irrelvant“. Wäre die Alternative zur großen Koalition wirklich so alternativ? Die Alternativlosigkeit quält die Grünen. „Das Bremer Desaster kommt so oder so nach dem Sanierungsprogramm“, glaubt Dey, müssen sich die Grünen nicht, zukunftsorientiert, „mutig auf den Crash nach 2004 orientieren“?

Auf der Kandidatenliste für den Landesvorstand steht niemand, den die Mitglieder vorn auf die Bürgerschaftsliste gewählt hätten, wenn er oder sie denn kandidiert hätte. Dort „haben die Besten die relevanten Plätze, aber die Konkurrenz war nicht stark“, schreibt Dey.

Dies einzugestehen und die „Trennung von Amt und Mandat“ aufzuheben, ist auch ein Antrag zur Strukturkrise, der heute von der Landesmitgliederversammlung beraten wird. Letztlich würde die basisdemokratische Versammlung aber, wenn sie das annimmt, sich selbst infragestellen. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Versammlung nach Stunden der „Unlust“ vertagt und die Lust an der Krise in Fortsetzung auskostet. K.W.

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