: Prügel für Demonstrantin bleibt Genuss ohne Reue
■ Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen gegen Polizisten ein, der am 1. Mai seinen Stock auf dem Kopf einer Frau zerschlug
Die Ermittlungen gegen einen unbekannten Polizeibeamten, der am 1. Mai seinen Schlagstock auf dem Kopf einer Demonstrantin zerschlug, sind eingestellt worden. Zur Begründung heißt es in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft am Berliner Landgerichts, es sei nicht möglich gewesen, einen Tatverdächtigen ausfindig zu machen.
Einheiten der Bereitschaftspolizei hatten damals die „Revolutionäre 1. Mai-Demonstration“ an der Bezirksgrenze zwischen Kreuzberg und Neukölln aufgelöst. Nach Angaben des innenpolitischen Sprechers der SPD, Hans-Georg Lorenz, hätten einzelne Einheiten nach Flaschenwürfen von Demonstranten die Kontrolle verloren und seien „ohne hinreichenden Anlass“ in die Demonstration gerannt. Selbst in internen Funkprotokollen der Polizei, die der PDS-Abgeordnete Freke Over später im Innenausschuss präsentierte, war zu hören: „Die Bullen drehen total durch.“
Eine Auswertung von Videomitschnitten, die zur Feststellung der prügelnden Polizeibeamten führen sollte, verlief nach Angaben der Staatsanwaltschaft ergebnislos. Die Suche nach den Polizisten sei ohne Ergebnis verlaufen, weil zwei Augenzeugen die Helmkennung der mutmaßlichen Täter nicht nennen konnten. Ohne Eingrenzung der Verdächtigen – rund 500 Polizeibeamte waren an jenem Abend an der Neuköllner Bürknerstraße im Einsatz – hätten die Beschuldigten nicht ausfindig gemacht werden können.
Der Zeuge Konrad Bautz hat das Geschehen beobachtet und Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Bei ihm stößt die Einstellung des Verfahrens auf Unverständnis. „Hätte ich die Polizisten nach ihrer Dienstnummer gefragt, hätten sie mich ebenfalls verprügelt“, fürchtet er. Dass Polizisten praktisch folgenlos auf in diesem Fall nachweislich friedliche Demonstranten einknüppeln könnten, sei eine „Niederlage für den Rechtsstaat“. In einem Brief hat Bautz Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gebeten, innerhalb der Polizei Konsequenzen zu ziehen. Eine Antwort steht noch aus.
Für Wolfgang Wieland, innenpolitischer Sprecher der Grünen, ist der Vorfall „ein einziger Schrei nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte“. Bisher tragen die Bereitschaftspolizisten lediglich die Nummer ihrer Einheit auf dem Helm. Diese werde zudem häufig durch Überzüge aus Stoff verdeckt, sagte Wieland. Grüne und PDS wollen die Frage der Kennzeichnung in der nächsten Legislaturperiode erneut auf die Tagesordnung setzen.
Andere Opfer von Übergriffen durch Polizisten haben inzwischen eine Sammelklage wegen der Vorkommnisse eingereicht. In Augenzeugenprotokollen beschreibt unter anderem ein Rechtsanwalt, wie ein festgenommener Mann in einem Mannschaftswagen der Polizei körperlich misshandelt worden sein soll. Er habe den Fahrer des Wagens aufgefordert, mäßigend auf seine Kollegen einzuwirken, schildert der Jurist den Vorgang. Der angesprochene Polizist habe ihn aber völlig ignoriert und die Fahrzeugtür zugeschlagen.
Bei der Senatsverwaltung für Inneres macht sich bisher niemand Gedanken um eine Verschärfung der Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte: „Das Thema ist für uns kein Thema“, sagte Sprecher Norbert Schmidt.
Andreas Spannbauer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen