■ Kommentar: Fischers Fehler Der Krach zwischen Fischer und Grünen könnte heilsam sein
Zu viel politische Macht schadet. Sie verführt zu Selbstüberschätzung und zur Geringschätzung anderer. Joschka Fischer hat bei den Grünen zu viel Macht. Gegen ihn ist in der Partei nichts durchsetzbar, weder von den Realos noch von den Linken. Denn Joschka Fischer repräsentiert wie kein Zweiter die Erfolgsgeschichte des grün-alternativen Milieus; vom Antipolitiker zum beliebtesten deutschen Staatsmann. Je herber die Wahlniederlagen der Grünen ausfallen, umso größer wird die Sehnsucht, dass er die Partei von ihrem Unglück erlösen möge.
Das Gefühl der Unentbehrlichkeit mag Fischer zu der Fehleinschätzung verleitet haben, er könne der Partei nach Gutdünken Befehle erteilen und auch noch Gunda Röstel kurz vor der Sachsen-Wahl demontieren. Er hätte es besser wissen müssen. Denn bereits im März, beim Parteitag in Erfurt, hat er das Kunststück fertiggebracht, die ihm treu ergebene Partei gegen sich zu mobilisieren. Die grüne Basis erfuhr damals aus der Zeitung, dass ihr großer Vorsitzender der Partei eine neue Struktur und den Abschied von der Doppelspitze verordnete – obwohl man erst ein paar Monate zuvor eine neue Struktur beschlossen hatte. Die Stimmung kippte, Fischer kapitulierte.
Dass der gewiefte Taktiker zweimal den gleichen Fehler macht, lässt ahnen, was er von den Grünen hält: nichts. Nun hat sich Fischer bei Röstel entschuldigt. Die ganze Affäre erinnert an einen Beziehungskrach: erst die Infamie, dann der Streit, am Ende die Beteuerung, es nun besser zu machen. Dabei brauchen die Grünen wirklich eine Strukturreform – und zwar in ihrem Verhältnis zu Fischer. Denn ein paradoxer Effekt der Trennung von Amt und Mandat, die die Machthäufung beschränken sollte, ist, dass Fischer so omnipotent werden konnte. Sein Einfluss ist, solange er kein Parteiamt übernimmt, diffus – und institutionell nicht begrenzt. Dies ist eine Spätfolge des antiautoritären Erbes: Die formale Hierarchie, die man abschaffte, kehrte als unsichtbare und unangreifbare Organisation von Macht durch die Hintertür zurück.
Im besten Fall war dies eine heilsame Krise. Nämlich dann, wenn Joschka Fischer im zweiten Anlauf verstanden hat, dass er die Bündnisgrünen nicht mit seinen Launen und via Spiegel regieren kann. Und wenn die Partei sich langsam von ihrer unterwürfigen, hörigen Haltung zu Fischer befreit. Stefan Reinecke
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