: Tram-Mantas lärmen im Gleisbett
Anwohner ärgern sich über kreischende Straßenbahnen der BVG. Die kennt das Problem, hat jedoch mit veralteter Technik und fehlenden Mitteln zu kämpfen. Die Sanierung kostet eine Milliarde ■ Von Christoph Rasch
Seit knapp zwei Wochen fahren sie wieder,die Straßenbahnen zwischen dem Lichtenberger Loeper Platz und der Warschauer Straße in Friedrichshain. Der Teilabschnitt, seit Anfang August vollständig für den Fahrgastverkehr gesperrt, wurde nun wieder von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) in Betrieb genommen.
Zwei Drittel des Berliner Straßenbahnnetzes modernisierte die BVG seit der Wende, Kostenpunkt: rund eine Milliarde Mark. Allein bis Ende November werden rund fünf Kilometer Gleise neu verlegt sein. Doch nicht alle technischen Probleme, so scheint es, sind mit der Freigabe des Friedrichshainer Streckenabschnitts beseitigt.
Grund ist zum einen das dort bis Ende November dauernde „Bauen unter Betrieb“: die beiden betroffenen Linien, 17 und 23, werden nun eingleisig an den noch vorhandenen Baustellen vorbeigeführt.
In der Friedrichshainer Kopernikus- und Wühlischstraße macht sich jedoch auch Kummer breit über den bereits fertiggestellten Teil der Strecke. „Die Lärmbelastung der Anwohner sollte anscheinend nicht vermindert werden“, kritisiert Christian Lindemann von der Betroffenenvertretung Warschauer Straße. Denn ist eine Straßenbahnstrecke im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens erst einmal fertiggestellt, wird auf Lärmbeschwerden nur noch mit Korrekturen im Rahmen der technischen und finanziellen Möglichkeiten geantwortet, heißt es aus dem Haus des Bausenators.
Die Friedrichshainer Anwohnerinitiative beschäftigt sich seit Monaten mit der Verkehrssituation im Friedrichshainer Kiez. „Die BVG hat es schlichtweg versäumt, das Gleisbett lärmreduzierend auszustatten“, so Lindemann über die lediglich in „Regelbauweise“ ausgeführten Baumaßnahmen. Das Gleisbett in Teilen der Wühlischstraße bestehe auch nach der Modernisierung aus den lärmfödernden alten Verbundplatten, die weder gegen eine moderne Variante ausgetauscht, noch mit lärmmindernden Zusätzen wie etwa Gummimatten versehen worden seien. Die Anwohnerinitiative, die in der vergangenen Woche ein eigenes verkehrsberuhigtes Friedrichshainer Verkehrskonzept vorstellte, kritisiert, in der Planung der Sanierung „übergangen worden“ zu sein.
Das Hauptproblem der BVG hingegen sei „veraltete“ Technik. „Bevor man sich an eine Erneuerung des Gleisbettes macht, müssen zunächst einmal die Fahrzeuge optimiert werden“, sagt Holger Orb, der an der Technischen Universität an einer Studie über die Berliner Tramlandschaft arbeitet. Denn Berliner Tramzüge sind nach seiner Auskunft lauter als die anderer Städte. Selbst die relativ modernen BVG-Niederflurbahnen vom Typ GT 6N, Anfang der Neunzigerjahre bei Adtranz entwickelt, seien „längst nicht mehr neuester Stand“. Der tiefergelegte Tramtyp, im Jargon der Verkehrstechniker der „Manta“ unter den Straßenbahnen, von dem derzeit rund 120 Fahrzeuge in Berlin Dienst tun, leide unter Konstruktionsfehlern, so Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband. Die relativ kleinen Räder würden schnell abgenutzt und „eckig“ gefahren. Das führe auch zu den Lärmbeeinträchtigungen, erklärt Orb. Und denen könne die BVG nur „hinterherlaufen“, mit Schweiß- und Schleifarbeiten an den Schienen, ohne jedoch die Ursache zu beheben. So scheint der schwarze Peter beim Hersteller, der Berliner Daimler-Tochter Adtranz, zu liegen. Der wehrt jedoch ab: „Das Problem ist in Berlin nicht mehr relevant.“ Zwar habe es in der Startphase des neuen Typs derartige Probleme gegeben, wie Adtranz-Sprecher Hans-Christian Maaß einräumt, in jüngerer Zeit gab es jedoch keine Reklamationen: „Der Fehler ist behoben.“
Eine andere Lärmquelle findet sich unter den Schienen: die alten, noch aus DDR-Zeiten stammenden Verbundplatten. Diese übertragen die Erschütterungen des Tramverkehrs auf die Umgebung, machen die Straßenbahnen nach Lärmuntersuchungen stellenweise so laut wie den Autoverkehr an Hauptverkehrsstraßen und führten durch die übertragenen Schwingungen gar schon zur Einsturzgefährdung ganzer Häuser.
„Derlei technische Probleme sind schon länger bekannt, aber den Verkehrsbetrieben sind wegen fehlender Geldmittel die Hände gebunden“, so Wieseke relativierend: „Die BVG müsse eben mit veralteter Technik kämpfen.“ Denn haben diese Platten ihre technische „Haltbarkeitsdauer“ noch nicht überschritten, bleiben sie eben aus Kostengründen – auch nach Modernisierungsmaßnahmen – im Gleisbett. Wie auf der Friedrichshainer Strecke ist es bei Modernisierungen die Regel, die Gleise in ein neues Betonbett zu legen. Zudem steigern die alten Verbundplatten in der Wühlischstraße den Lärm des gegen die hervorstehenden Plattenkanten schlagenden Autoverkehrs, bemängelt die Betroffenenvertretung. Dass auf anderen Tram-Strecken, etwa auf der über den Alexanderplatz, zusätzliche Schallschutzmaßnahmen ergriffen werden, hänge auch von den jeweils ausführenden Baufirmen ab.
Zwar bedeute ein neues Gleisbett generell eine verminderte Lärmemission . Was jedoch „durch die dann erreichbare höhere Geschwindkeit wieder neutralisiert wird“, so Lindemann. Eine weitere Möglichkeit, lärmreduzierend einzuwirken, wäre danach laut Orb, „Richtlinien für die Tram-Fahrer“ zu schaffen, nicht zu stark zu beschleunigen oder abzubremsen. Jens Wieseke vom Fahrgastverband hält die Wirkung für nur minimal, denn „schneller als 30 Stundenkilometer fahren die Bahnen im betroffenen Bereich ohnehin nicht“.
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