: Aussage gegen Aussage
■ Polizist soll 21-Jährigem Haare ausgerissen sowie eine leichte Hinrerschütterung zugefügt haben / Vor Gericht stand Aussage gegen Aussage: Verfahren eingestellt
Wie der 21-jährige Mann aus Bremen-Nord letztendlich zu seinen Verletzungen gekommen ist, konnte gestern vor der Strafkammer des Blumenthaler Amtsgerichts nicht geklärt werden. Der junge Mann hatte Anzeige gegen einen 39-jährigen Polizisten erstattet, weil ihn dieser im April vergangenen Jahres angeblich mit Gewalt in ein Polizeiauto geschubst hatte. Dabei habe sich der junge Bremen-Norder eine leichte Gehirnerschütterung und eine Platzwunde am Kopf zugezogen. Außerdem habe man ihm ein Büschel Haare herausgerissen. Während der Verhandlung konnte dem Polizei-Kommissar jedoch keine Körperverletzung im Amt nachgewiesen werden. Das Verfahren wurde eingestellt.
„Ich habe nur versucht, ihn ins Fahrzeug zu bugsieren. Dass ich ihm dabei ein wenig an den Haaren gezogen habe, kann sein“, erzählte der Beamte ruhig, aber bestimmt dem Richter. Dem Angeklagten und seinem Kollegen war der junge türkische Mann verdächtig vorgekommen: Er sei mit einem anderen Mann aus einem Geschäft gerannt, in der Hand eine Plastiktüte. In der Annahme, es handele sich um Ladendiebe, seien die zwei Polizisten ihnen deshalb gefolgt. Als sich die beiden Parteien dann auf der Straße gegenüber gestanden hätten, habe der arbeitslose Bremen-Norder trotz mehrfacher Aufforderung nicht seine Hände aus der Hosentasche genommen: „Ich wusste ja nicht, was er da drin hatte, deshalb habe ich ihm Handfesseln angelegt“, erzählte der Angeklagte. Und da das Polizeirevier gleich auf der anderen Straßenseite liegt, wollte er mit dem Mann zu Fuß gehen. Dieser habe sich aber gewehrt, wollte lieber mit dem Polizei-Auto gefahren werden. Als schließlich eins da war, habe er sich erneut dem Willen der Beamten widersetzt. Danach sei auch noch dessen Bruder aufgetaucht, dem der junge Mann etwas zugerufen hatte: „Da ich die Sprache nicht verstehe, habe ich ihm gesagt, er soll damit aufhören. Nachdem er weitergerufen hat, habe ich ihm den Mund zugehalten und ihn in den Wagen geschafft.“ Auf dem Revier habe man noch zwei Päckchen Heroin in der Hosentasche des 21-Jährigen Türken gefunden.
In der Erinnerung des jungen Mannes hat sich der Vorgang völlig anders abgespielt: Der Angeklagte hat ihn an den Haaren gezerrt und vorne über „mit einem Tritt in den Hintern“ in die offene Wagentür gestoßen, sagte er dem Gericht. Er sei deshalb zur anderen Seite des Sitzes „geflogen“ und habe sich an der gegenüberliegenden Fahrzeugtür den Kopf gestoßen. Obwohl er sich vorher nicht gewehrt hätte. „Auf dem Revier habe ich zu dem Beamten noch gesagt, dass er noch von mir hören wird“, erboste sich der junge Mann. Er zeigte sich wütend über die von ihm dargestellte Behandlung durch die Polizei: „Warum muss denn sowas sein?“
Die ärztlichen Atteste des jungen Bremen-Norders über seine Verletzungen konnten jedoch – ebenso wie die Aussagen der übrigen Zeugen – wenig Licht in das Dunkle der Geschehnisse bringen. Denn eine Platzwunde, wie dem Mann vom Krankenhaus attestiert wurde, war auf dem Revier noch nicht festgestellt worden. Auch hatte der angeblich Geschundene zu dem Zeitpunkt keinerlei Schmerzen beklagt. Erst gegen abend hat er sich im Krankenhaus untersuchen lassen.
„Eine Platzwunde blutet aber normalerweise sehr stark. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das vorher niemand, nicht einmal sie selbst, bemerkt haben“, machte der Richter seine Zweifel deutlich. Es sei auch möglich, sagte er, dass der junge Mann noch Schwierigkeiten mit seiner Familie bekommen habe, bei der er noch wohne. Bei südländischen Familien wäre das nichts Außergewöhnliches, zudem sei der Sohn ja auch mit Drogen in der Tasche erwischt worden. Der Richter folgte deshalb den Wünschen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung: Das Verfahren wurde eingestellt. san
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