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Engagement und Imagepflege: „Westway To The World“, Don Letts Dokumentarfilm über die Punkband The Clash  ■   Von Gerrit Bartels

Am Ende brechen bei Joe Strummer doch noch die alten Wunden auf. Da ereilt ihn in Don Letts Clash-Dokumentarfilm „Westway To The World“ der Frust über den Split der Band mit voller Wucht. Er ringt um eine Erklärung, findet keine rechte; ganz im Gegenteil, sie hätten doch gerade mit „Combat Rock“ die Top Five der Albumcharts in den USA erklommen, und in allen möglichen Ländern auf der Welt würde man The Clash kennen und lieben!

Traurig und gequält schaut Strummer bei diesen Worten drein, er schüttelt den Kopf, blickt zur Seite, und es scheint, als wolle er nun gleich in sein Taschentuch schluchzen: Die Melancholie eines gealterten Punk-Helden, der weiß, dass all die folgenden Jahre nie mehr das hielten, was die Jugend versprach.

Und da auch die anderen Clash-Mitglieder in der Folgezeit zumindest in Sachen Pop nie mehr so richtig auf die Füße fielen, konzentriert sich auch Don Letts, ein alter Freund der Band, seinerzeit Regisseur aller Clash-Videos und einflussreicher DJ im legendären Londoner Roxy-Club, mit seinem Film ganz auf die große Zeit von The Clash bis zum Ausstieg (und Rausschmiss) des Gitarristen und Songschreibers Mick Jones im Jahre 1983.

Joe Strummer, Paul Simenon, Mick Jones und Topper Headon erzählen, aus was für Elternhäusern sie kommen, mit was für Musik sie groß geworden sind (Beatles, Stones, Hendrix, New York Dolls), wie sie sich gefunden haben, wie fünf Sekunden eines Sex-Pistols-Songs die eigene Welt plötzlich verändern konnten.

Mit den Sex Pistols gingen The Clash dann 1977 auf die legendäre „Anarchy in The UK“-Tour, und schon damals galten sie als das wirklich politische und soziale Gewissen von Punk, sie hatten laut Greil Marcus „als Nummer zwei der Londoner Punkbands immer die Aufgabe, den Rätseln der Sex Pistols einen Sinn zu geben“. So richtig reflektieren mögen Strummer und Co. das im Nachhinein zwar nicht: Schließlich unterschieden sie selbst oft nicht zwischen Betroffenheit und Engagement auf der einen, den kalkulierten Slogans und der Imagepflege auf der anderen Seite. Und schließlich waren auch sie ruck, zuck bei einem Major unter Vertrag, ließen auch sie sich auf alle möglichen Pläne ihrer Plattenfirma ein, um den amerikanischen Markt zu erobern („Mensch, wir waren in den Abendnachrichten! Wir haben New York genommen!“).

Doch hin und wieder vermittelt Letts Film, so sehr er sich chronologisch an den Werdegang der Band und ihre Erfolgsgeschichte hält, wie sehr die gesellschaftlichen Verhältnisse ihren Einfluss auf die Songs und das Auftreten von The Clash nahmen: Die Krawalle beim Karneval in Notting Hill 1976, die unter diesem Eindruck entstandenen Songs „White Riot“, „Complete Control“ oder „Police And Thieves“, ein Auftritt bei Rock Against Racism in Londons Victoria Park. Und ansonsten hatten die Jungs eben ihren Spaß, indem sie von irgend welchen Dächern mit Luftgewehren auf Schweine schossen oder aus „I'm so bored of you“ die Songzeile „I'm so bored of USA“ werden ließen – einen Slogan, den sie dann mit Eiswaffeln auf Schaufenster malten, um damit gegen die vielen Mc Donald's-Filialen in England zu protestieren.

Those were the days, und selbst wenn diese Art von Fun und Aufbegehren sich naturgemäß verflüchtigt hat, bleibt die musikalische Leistung von The Clash, für eine extreme Verfeinerung von Punk in Form von Reggae-, Dub- und Rap-Zusätzen gesorgt zu haben. Weswegen einige ihrer Songs – im Gegensatz zu denen anderer Zeitgenossen – wirklich niemals sterben dürften, weswegen nicht zuletzt auch „Combat Rock“, ihr letztes „richtiges“ Album, für das sie damals von den vermeintlich echten Fans viel Haue bekamen, gegen so manche heutige Aufnahme locker anstinkt.

Dass die üblichen Streitereien, Kommunikationsschwierigkeiten und Drogenprobleme schließlich stärker waren als die ach so gelungene und glückliche und von Strummer mehrmals betonte „Bandchemie“: Das ist halt der Lauf der Rock 'n' Roll-Dinge. Und da kann man unglücklich drüber sein, man kann das aber auch wie Mick Jones ganz kurz und trocken kommentieren: „We did a job, that's the story, and now we're gone, that's it.“

„Westway To The World“: Sonntag und Montag ab 20 Uhr im Eiszeit-Kino, Zeughofstr. 5, Kreuzberg

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