: Bremer Prof mit kurzem Draht zur SED
■ Wie der Bremer Jura-Professor Stuby von der DDR eine Sekretärin bezahlt bekommen wollte oder: Neues Buch über das Netz der „Stasi im Westen“ erzählt auch Bremer Geschichten
Die Geschichte der Bundesrepublik müsste neu geschrieben werden, wenn der gesamte Umfang der Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Westdeutschland bekannt wäre. Das schreibt Bremer Autor Hubertus Knabe, ein Mitarbeiter der Gauck-Behörde, in seinem neuen Buch: „Die unterwanderte Republik – Staatssicherheit im Westen“ (Ullstein-Verlag). Das Problem dabei: Der größere Teil der Akten der „Hauptverwaltung A“ (HVA) wurde 1989 vernichtet, Teile auch vom US-Geheimdienst aus Ostberlin abgeschleppt.
Knabe musste für sein Buch aus ganz unterschiedlichen Unterlagen Matieral zusammentragen, das Ergebnis gibt nur einen exemplarischen Eindruck über den Umfang, in dem die Stasi sich auch mit Banalitäten im Westen befasste.
Prominentester Name aus Bremen in dem Buch über die „unterwanderte Republik“ ist der Jura-Professor Georg Stuby. Auch seine Akte ist bisher nicht aufgefunden worden, aber aus den vorhandenen Bruchstücken lässt sich erahnen, wie sehr die Drähte in die DDR zu seinem normalen Alltag gehörten.
Da ruft zum Beispiel am 17.11.1976 der Jura-Professor aus Bremen in Ost-Berlin beim „Institut für Politische Wissenschaften“, einer wissenschaftlichen Deckadresse der Spionage-“Hauptverwaltung A“, an und teilt mit, es wollten sich einige linke Intellektuelle zur Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR äußern. Stuby erzählt, welchen Tenor diesse Protest-Note haben soll und bittet um ein Gespräch „mit kompetenten Personen von Seiten der DDR“ – er würde dafür auch nach Ostberlin kommen – „um die Meinungsbildung für die endgütige Formulierung dieser Erklärung zu erleichtern“. Das bedeutet: Stuby will die Erklärung gegen eine Maßnahme der DDR mit Vertretern der DDR abstimmen. Die Bitte geht über den Tisch des Stasi-Chefs Gereral Wolf direkt zum ZK der SED und wird noch am selben Tag dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker persönlich vorgetragen, der vermerkt sein O.K.
Zwei Jahre später wird Stuby, der Vorsitzender der „Vereinigung demokratischer Juristen“ in der Bundesrepublik war, auch zum Generalsekretär der „Internationalen Vereinigung demokratischer Juristen“. Da erreicht das ZK der SED ein Brief mit dem Hinweis, Stuby wolle ein Büro, eine Sekretärin und einen persönlichen Referenten und Reisekosten von der DDR bezahlt haben. Die westdeutsche DKP signalisiert ihre Unterstützung für das Anliegen. Warum soll die DDR für Stuby zahlen? Er sei „eine bedeutende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens unseres Landes“, begründet das DKP-Präsidium in seinem Schreiben an das ZK der SED.
Buch-Autor Knabe hat auch sich selbst in den Stasi-Akten wiedergefunden. „IM DUO“, der Dieter Dehm für die Stasi anwarb, hatte auch in Bremen Erfolg: Der damalige Pressesprrecher der Universität, Wolfgang Schmitz, konnte als „IM Lothringer“ gewonnen werden. Zum Beispiel war er dabei, als Knabe eine Ungarn-Reise veranstaltete – und lieferte detaillierte „Kontakt-Berichte“. „Lothringer“, der am Informations-Knotenpunkt der Uni saß, hat umfassend berichtet, nicht zuletzt über die „Forschungsstelle Osteuropa“.
1986 war dann für die „Durchführung von Aufklärungsmaßnahmen“ bei der Bremer taz und zur „Indentifizierung sich dort aufhaltender taz-Mitarbeiter“ nicht mehr „Lothringer“, sondern „IM Franke“ zuständig. K.W.
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