piwik no script img

Tiefer als tief ist 20 Meter

■ Bei 20 Metern ist Schluss: Tiefer als das Pumpwerk geht es nicht in Bremen / Dort arbeiten Regenmanager, die die Regenfluten regulieren: Die taz berichtet in loser Folge von Orten, die BremerInnen sonst nicht zu sehen kriegen / Teil sechs der Serie

Tiefer als 20,5 Meter geht es nicht in Bremen. Das Pumpwerk in Oslebshausen ist der unterirdischs- te Punkt der Hansestadt. Außer dem Zugang zum Rückstaubecken hat sich nichts tiefer in die Erde gebohrt. „Es sei denn, jemand hat ein noch tieferes Loch gebuddelt, aber davon weiß ich nichts“, sagt Friedhelm Behrens von „Abwasser Bremen“.

Die Wendeltreppe im Pumpwerk Oslebshausen schraubt sich jene 20 Meter tief in die Erde. Rundherum Zementwände, Durchmesser dazwischen nur ein paar Meter. Direkt hinter den Betonmauern liegt ein riesiges Rückstaubecken für Wolkenbrüche, um das Regenwasser kurzfristig aufzufangen.

Aber der tiefste Punkt Bremens ist eigentlich ganz unspektakulär: Auf den weißen Fliesen wurden mit Edding nur die Ziffern „20,14“ gekrakelt. Und ein dünner Strich dazu: Exakt hier steht man gut 20 Meter unter Normal Null. Genau genommen aber nicht richtig unterirdisch: nach oben ist das Pumpwerk, rundherum das leere Rückstaubecken.

Eng ist es hier unten, wo die armdicken Rohre zusammenlaufen. Wo zwei Pumpen stehen, die in Sekundenschnelle hektoliterweise das Rückstaubecken wieder leer pumpen. Die Maschine ist jetzt still. Kein Bedarf. Draußen scheint die Sonne. Erst bei den nächsten Regenfluten wird die Pumpe wieder angeworfen. „Angst darf man hier unten nicht haben“, sagt Jörg Windhausen, wenn die Maschine loskracht, um das Abwasser aus dem Rückstaubecken die 20 Meter hoch zu drücken.

Jörg Windhausen ist so etwas wie Regenmanager. Im zentralen Pumpwerk in Findorff sitzt er vor mindestens drei Monitoren und kontrolliert die Wassermengen, die von oben kommen und die unten in den Kanälen dann irgendwie verteilt werden müssen. „Am schlimmsten ist es im Sommer“, sagt Windhausen. Dann kommen die Schauer, Platzregen, Donnergewitter, die in minutenschnelle ungeahnte Wassermengen runterlassen. „Belastungsspitzen“, die kein Kanalsystem abfangen kann. Trotzdem muss das Wasser irgendwo ganz schnell hin, damit trotz Platzregen nicht gleich „Land unter“ ist.

Kleine (im Winter beheizte) Regenmesser zeigen Windhausen sofort an, wo wieviel Regen runterkommt. Wenn es in Oslebshausen gewittert, weiß Windhausen, welche Wassermengen Minuten später in Bremen durch die Kanäle kommen. Minuten, mit denen er planen kann, wohin er die Fluten schickt. „So kann ich genau mit dem Wasser arbeiten,“ sagt Windhausen, der eigentlich Elektriker gelernt hat.

Per Computer legt Windhausen dann los, macht Platz für die enormen Wasserströme: Schieber öffnen, Fließrichtung ändern. „Abfördern“ sagt er. Dann geht es um Druck und Bar, Pumpenleistung und viele, viele Kubikmeter Wasser. Windhausen ist Herr über gut 2.300 Kilometer Kanalleitung, in denen er das Wasser hin und her schiebt. Mehr als 3.000 Liter pro Sekunde sind nicht drin, sagt er. Das ist die maximale Fördermenge, mehr kann man nicht in die Kläranlage schicken. Dann bleiben Windhausen nur die Rückstaubecken. Und wenn auch die voll sind, hilft gegen die Wassermengen nur der „Notüberlauf“: In die „Vorflut“, sprich in Weser, Kleine Wümme und Piepengrund, wird das Regen-Abwasser-Gemisch eingeleitet. Sonst steht das Wasser auf den Straßen.

Windhausen ist vorsichtig: Nicht immer kommt soviel Wasser in die Kanäle wie erst erwartet. Dann wird alles wieder zurückgefahren, sagt er: Kein Problem. Wichtig sei, dass kontinuierlich viel Abwasser ins Klärwerk Seehausen gepumpt wird. Möglichst ohne große Sprünge.

„Dieses Jahr hatten wir Schwein gehabt“, sagt Windhausens Kollege Norbert Ilse. Die Riesen-Regengüsse sind bisher ausgeblieben. Die Notausleitungen auch. Wümme und Piepengrund wurden die kleinen „Ökokatastrophen“ erspart, wenn das mit Regenlitern hochverdünnte Abwasser ins Ökosystem gespült wird.

„Die Kunst bei der Regenwasserplanung“ sei vorausschauend zu handeln,“ sagt Behrens, „hier hat man Verantwortung für die ganze Stadt“. Im Pumpwerk Findorff laufen die Abwasseradern Bremens zusammen. Im Sekundentakt kommen rund 800 Liter rein, vier bis fünf Badewannen voll. Und bei Regen ist es mindestens die doppelte Menge. Dann legt Windhausen wieder los. pipe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen