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Hochnäsige“ Briten ärgern Jiang

■ Bei seiner Großbritannienreise wird Chinas Präsident nicht in Ruhe gelassen. Demonstrationen trotz massiver Polizeieinsätze

Hier ist es ja wie in Peking“, sagte Wei Jingsheng, nachdem er in Downing Street keine Protestnote übergeben durfte

London (dpa/AFP/taz) – Je länger der Besuch des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin in Großbritannien andauert, desto mehr sorgen die hartnäckigen Protestaktionen von Gegnern der chinesischen Regierung für Unmut bei dem hohem Gast. Die Delegation Jiang Zemins hat nun erstmals verärgert darauf reagiert. Die „Störungen“ hätten „vermieden werden sollen“, sagte ein Sprecher am Donnerstagabend, nachdem Jiang wegen lautstarker Demonstrationen vor der Londoner Downing Street gezwungen worden war, für sein Treffen mit Tony Blair eine Seitenstraße zu benutzen.

Unter den Demonstranten habe er „weder Tibeter noch Chinesen“ gesehen, fügte der Sprecher hinzu, als ob er deren Verhalten in diesem Fall besser gefunden hätte. „Es waren Leute mit den charakteristisch hohen Nasen.“

Vor den Toren der Downing Street hatten sich am Donnerstag etwa 200 Demonstranten eingefunden. Der führende chinesische Dissident Wei Jingsheng wurde von der Polizei daran gehindert, eine Menschenrechtspetition an Blair zu übergeben. Er solle sie per Post schicken, wurde ihm mitgeteilt. Wei war eigens aus den USA nach London gereist. Er sagte dazu: „Hier ist es ja wie in Peking.“

Tatsächlich haben die Szenen bei Jiang Zemins viertägigem Großbritannienbesuch viele Briten erstaunt. Während auf der mit rotem Asphalt gepflasterten Paradestrecke zum Buckingham Palace die rote Fahne Chinas einträchtig neben dem Union Jack hing, stürzten sich Polizisten nach Tiananmen-Manier mit erheblicher körperlicher Gewalt auf jeden Demonstranten, der es wagte, etwa ein Transparent mit den Worten „Free Tibet“ in die Nähe des vermuteten Sichthorizontes von Jiang Zemin zu heben.

Zahlreiche Politiker und Medien aller Schattierungen kritisierten das harte Vorgehen der Polizei. „Wer hat der Polizei den Auftrag gegeben, britische Bürgerrechte zu verletzen?“, fragte der liberale Guardian. Der außenpolitische Sprecher der oppositionellen Konservativen, John Maples, erregte sich über die Äußerung des Sprechers von Jiang Zemin, wonach die Proteste hätten verhindert werden müssen: „Dies scheint zu bestätigen, dass die Chinesen die Briten gebeten hatten, die Demonstrationen zu kontrollieren, und dass es Sonderbefehle an die Polizei gab. Daher wurden Protestlern die Transparente entrissen, und wir haben diese schrecklichen Szenen gesehen, in denen die Polizei Protestler niederkämpfte.“

Die britische Regierung sagte, sie habe mit Jiang Zemin doch über Menschenrechte gesprochen. Jiang sei bei dem Treffen selbst auf das Thema zu sprechen gekommen, sagte ein Sprecher Blairs. Blair habe den chinesischen Staatschef insbesondere auf die Lage in Tibet angesprochen. Außenminister Cook habe Jiang eine Liste mutmaßlich verfolgter Dissidenten gegeben. Laut Blairs Sprecher sagte Jiang, das Thema Menschenrechte solle nicht bestimmend für die bilateralen Beziehungen sein.

Zuletzt wollte Jiang Zemin gestern nach Cambridge reisen. Studenten der dortigen Universität, einer Hochburg der Tibet-Solidaritäts-Bewegungen in Großbritannien, kündigten im Vorfeld an, ihn nicht in Ruhe zu lassen. Die örtliche Polizei erklärte, sie werde sich zurückhalten. Ein ärgerlicher Ausklang der Großbritannienreise schien somit für Chinas Präsidenten sicher, bevor er sich nach Frankreich zur sicher ebenfalls unruhigen nächsten Etappe seiner Tour aufmachen wollte. D. J.

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