: Neigungsorientierte Souvenirs
■ Wer verreist, hat gern seine Liebe Not bei der Wahl seiner Mitbringsel. In Italien gibt's aber was ganz Originelles:
Urlaub ist schön. Er hat nur zwei kleine Haken: Ansichtskarten schreiben – und Urlaubssouvenirs für die Lieben daheim mitbringen zu müssen.
Das Betexten von Karten ist ziemlich lästig, aber immerhin meist schnell erledigt. Die Tradition, von einer Reise in die Fremde ein folkloristisches Souvenir anzuschleppen, ist dagegen in den letzten Jahren fast in Vergessenheit geraten. Zum einen, weil wir ja durch die Medien jeden entlegenen Winkel der Erde ganz genau kennen, und zum anderen, weil in jedem türkischen, russischen oder indischen Import-Export-Laden um die Ecke exotischer Krimskrams aus aller Welt billiger verschleudert wird als im Urlaubsland selbst.
Italienreisende haben es besonders schwer – weil Italien nah ist und den Deutschen schon lange nicht mehr fremd, ist der nördliche Teil des Landes im Sommer doch fest in bayrisch-teutonischer Hand. Als Mitbringsel könnte allenfalls ein Vino dienen, den man beim Erzeuger – literweise und günstig – sogar ohne Etiketten, also steuerfrei, erwerben kann. Für Gourmets und Gourmetten lässt sich dann vielleicht noch etwas in einer der unzähligen kleinen Schnickschnack-Fress-Boutiquen – Kreuzungen aus Kiosken und Tante-Emma-Läden – finden. Ihre Regale quellen über und – reflexartig – gehört der erste Blick dem Haltbarkeitsdatum. Da gibt es getrocknete Steinpilze und Trüffelpasten, zahllose Nudelvariationen, eingelegte Gemüsekreationen und Fischkonserven: all das ganz sicher leckere Delikatessen, darüber hinaus auch noch als Geschenk verpackt durchaus repräsentativ – aber eben überhaupt nicht neu.
Einige dieser Touri-Shops haben mittlerweile das Problem erkannt. Ihre Betreiber sind innovativ und bieten den Kunden Souvenirs der besonderen Art: Die gesicherten Auslagen zeigen Spielzeugautos aus Metall, die nur etwas größer sind als Matchboxautos. Eines davon ist die Miniaturausgabe des Papamobils, in dem eine kleine Papstfigur steht, die dem Volk zuwinkt. Direkt daneben in einem anderen Modell und in gleicher Pose wie der Papst: Adolf Hitler.
Aber auch die abgefüllten flüssigen Traubenspezialitäten sind eigens für die Touristen originell etikettiert. Da gibt es neigungsorientierte Flaschen mit den Konterfeis von Che Guevara, Stalin, Mussolini oder Hitler, unter dessen Porträöt wahlweise der Schriftzug „Führerwein“, „Sieg heil“ oder „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ steht. Für den etwas versnobteren Trinker im Angebot: ein moussierender Wein mit dem Etikett „Prosecco di Duce“ oder „Prosecco vom Führer“.
Besonders österreichische Haider-Anhänger sollen häufig als Käufer des „Vino di Adolfo“ in Erscheinung treten, wobei sie sich die Frage gefallen lassen müssen, ob sie unter Geschmacksverirrung leiden. Gar nicht mal, weil die Hitler-Bilder so hässlich wären; nein, der Wein, obschon aus dem Friaul, ist zwar würzig, aber viel zu fruchtig und ohne Bouquet – kurz: noch viel zu jung. Und dabei sollte sich kein Italienreisender täuschen lassen: Das eiserne Kreuz an Hitlers Revers zeigt zwar die Jahreszahl „1939“, doch sollte der Tropfen noch etwas lagern – mindestens 1.000 Jahre.
Barbara Geschwinde
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