piwik no script img

■ Frauen dürfen endlich den Männerbund Militär aufmischenDas neue Berufsrisiko

Ein letzter Schubs – und der Stein rollt. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs hat gesprochen, die Richter werden im Frühjahr mit großer Wahrscheinlichkeit verfügen, dass die Bundeswehr Frauen ans Gewehr lassen muss. Peinlich, dass es des Europäischen Gerichtshofs bedurfte, bis auch die Deutschen merkten, dass sie schon lange keine Argumente mehr gegen schießende Frauen haben.

Dürfen Frauen töten? Dürfen sie den Männerbund Militär aufmischen? Dürfen sie sich selbst gefährden? Diese Fragen haben sich schon lange erledigt. Sollen doch die Frauen selber entscheiden müssen, ob sie sich den Gefahren aussetzen wollen.

Die Bundeswehr ziert sich noch, denn es könne „Akzeptanzprobleme“ geben. Und dann wurde als letztes Geschütz die ultimative Verletzlichkeit der Frau aufgefahren: Im Golfkrieg seien US-Soldatinnen vergewaltigt worden. An solchen Argumenten kann man nichts weiter ablesen, als dass dringend mehr Frauen in die Bundeswehr hineinmüssen. Soldatinnen wehrten sich eindrücklich gegen diese Vorwände der Männer: Das sei eben ihr Berufsrisiko. Derartige Unempfindlichkeit ist in den Männerfantasien über Frauen als „schwaches Geschlecht“ nicht vorgesehen. Es geht darum, endlich das Selbstverständnis des Männerbundes aufzumischen: Soldaten sollten bald schon Soldatinnen sehen, die beim Marsch länger durchhalten als sie, die ihnen Befehle erteilen und ihre dämlichen Sprüche kontern.

Der Staat hat sich in der Debatte bis jetzt versteckt, hinter dem Artikel 12a des Grundgesetzes, laut dem „Frauen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“ dürfen. Das Waffentragen widerspräche der „Natur der Frau“, hieß es damals. Wie ein dicker Felsbrocken lag dieser Satz auf der Diskussion in Deutschland, während rundherum die Länder zunehmend Geschmack an schießenden Frauen fanden. Endlich wird dieser Stein ins Rollen kommen.

Die ältere Generation zieht sich zurück, allein die Wehrbeauftragte Claire Marienfeld stemmt sich gegen den Lauf der Zeit: Es werde keine Zweidrittelmehrheit im Bundestag für die Streichung des Satzes geben. Falsch: Aus allen Fraktionen wurde Zustimmung signalisiert. Gib's auf, Claire. Nicht, dass es besonders lustig wird für die Frauen im Männerbund. Aber irgendwann in ferner Zukunft ist vielleicht eine kritische Masse erreicht, und dann könnte es auch sein, dass man keine Videos mit Vergewaltigungsszenen mehr in deutschen Kasernen findet.

Heide Oestreich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen