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Regierende Leberwurst

■  Diepgens Auftreten leidet unter der schwindenden Souveränität seines Amtes

Hat er es gesagt? Oder hat er nicht? Eigentlich spielt das keine Rolle. Unbestritten ist, dass Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die Eröffnung der tausendsten McDonald's-Filiale in Deutschland am 9. Oktober 1999 dazu genutzt hat, dem US-Botschafter John F. Kornblum eins auszuwischen. „Wie ich sehe, ist der amerikanische Botschafter auch hier“, hat Diepgen den Recherchen eines amerikanischen Journalisten zufolge gesagt. „Vielleicht sollte er einfach statt der amerikanischen Botschaft ein McDonald's Restaurant auf dem Pariser Platz eröffnen.“

Zwar dementierte Senatssprecher Michael-Andreas Butz inzwischen die Diepgen-Äußerung. Aber auch die von der Senatskanzlei verbreitete Lesart, der Regierende habe nur spaßhaft darauf hingewiesen, „dass ein Fast-Food-Store auf dem Pariser Platz wohl einfacher zu errichten wäre als die Botschaft“, ändert nichts an der diplomatischen Spitze gegenüber Kornblum.

Schließlich bemüht sich der US-Botschafter bereits seit längerem, die Sicherheitsfragen beim Neubau der US-Repräsentanz auf höchster Ebene zu klären. Umsonst. Dem Regierenden gilt diese Frage nicht als Chefsache. Als mittlerweile dienstältester Ministerpräsident Deutschlands aber weiß Diepgen, wie sehr eine solche Hinhaltetaktik den US-Botschafter brüskieren muss. Was aber bewegt den Berliner Regierungschef zu solchem Tun? Ist Eberhard Diepgen plötzlich zum Antiamerikaner geworden?

Im Nachklapp zu der umstrittenen Diepgen-Äußerung wird in diesen Tagen auf das besondere Verhältnis zwischen dem Regierenden und dem US-Botschafter verwiesen. Sogar von „Männerfreundschaft“ ist die Rede, in ironischer Anspielung an das konfliktreiche Verhältnis zwischen Lafontaine und Schröder.

Ihre Wurzeln hat diese „Freundschaft“ in den Jahren der Teilung, als der US-Gesandte Kornblum den Westberliner Regierenden des öfteren brüskiert haben soll. Kornblum, heißt es, habe Diepgen mehrfach auf Audienzen warten lassen. Selten wurde dem Westberliner Regierungschef derart plastisch vor Augen geführt, dass nicht er der Souverän seines politischen Geltungsbereichs ist, sondern die Alliierten

Unter solch persönlichen Zurückweisungen mag die deutsch-amerikanische Freundschaft schon einmal leiden. Sie erklären womöglich die Zurückhaltung, mit der sich Diepgen dem Thema US-Botschaft widmet. Dass ein Politprofi wie Diepgen allerdings eine Gelegenheit wie die Eröffnung einer McDonald's-Filiale nutzen sollte, um seinem Peiniger Kornblum die erlittene Schmach in gleicher Münze heimzuzahlen, wäre zuviel des Guten. Es ist vielmehr das angekratzte Selbstbewusstsein des Regierenden, das sich in Dipegens ureigenem Begriff von Humor hier Bahn gebrochen hat. Ein Selbstbewusstsein, das zehn Jahre nach dem Mauerfall erneut unter schwindender Souveränität leidet.

Eindrücklichstes Beispiel dafür sind die Auftritte Diepgens gegenüber Bundeskanzler Gerhard Schröder. Erst vor kurzem ließ der Berliner den deutschen Regierungschef zweimal warten, um ihn dann mit einer flapsigen Bemerkung abzuspeisen. Anlässlich eines Grußwortes bei der Eröffnung des BMW-Konzernbüros meinte Diepgen gar, die Leute seien ja ohnehin nur wegen des Kanzlers gekommen.

In solchen weniger beleidigenden als vielmehr beleidigten Äußerungen zeigt sich, was Diepgen tatsächlich bewegt und was sich bereits in seiner Blockadehaltung gegenüber dem Holocaust-Mahnmal abgezeichnet hat: Ähnlich wie zu Westberliner Zeiten ist nicht er es, der die Souveränität über die Politik der Stadt in den Händen hat, sondern ein anderer – zuerst Kornblum, nun Schröder. Auf diese schwindende Souveränität seines Amtes reagiert er mit der schwindenden Souveränität seines Auftretens. Vielleicht wäre es nun wirklich an der Zeit, seinen Titel zu ändern: „Eberhard Diepgen – Regierende Leberwurst von Berlin“. Uwe Rada

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