: Disziplin wird ausgeschrieben
■ Die große Koalition in der Bezirksversammlung Hamburg Mitte erteilt einer weiteren Fixerstube in St. Georg eine Absage
Die Tür, die Mediator Wolfgang Gessenharter vorige Woche öffnete, hat die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gestern Abend wieder zugeschlagen: Die Fraktionen von SPD und CDU beschlossen Eckpunkte zur Drogenpolitik, die der Einrichtung einer weiteren Fixerstube in St. Georg klar entgegenstehen.
Gessenharter hatte im Auftrag des Senats die Nutzung der über die Stadt verteilten Gesundheitsräume durch Junkies untersucht und ein Drei-Stufen-Modell zur Entlastung von St. Georg vorgeschlagen (taz berichtete): Nach der Ausweitung der Öffnungszeiten und Konsumplätze des „Drob Inn“ am Hauptbahnhof rät er als letzte Möglichkeit zur Eröffnung eines weiteren Gesundheitsraumes im Stadtteil.
Die Bezirksversammlung hingegen schrieb gestern fest, dass es als „Versagen“ der überfüllten Drogeneinrichtungen zu werten sei, wenn ihre KlientInnen keine andere aufsuchen. Schließlich könnte etwa das Drob Inn die Junkies an die Angebote in anderen Stadtteilen weiterverweisen, „gegebenenfalls kann ein Shuttle-Service eingerichtet werden“. Für die Projekte, die in ein solches Konzept „nicht einbindbar sind“, sei „die Ausschreibung die Alternative“.
„Die Dezentralisierung muss man organisieren“, begründet der SPD-Abgeordnete Markus Schreiber den Antrag, den seine Fraktion zusammen mit der CDU erarbeitet und verabschiedet hat. „Die ersten beiden Stufen, die Mediator Gessenharter vorgeschlagen hat, sind für das Drob Inn die Nagelprobe: Wenn sie die Überweisung ihrer Klienten an andere Einrichtungen nicht hinkriegen oder nicht hinkriegen wollen, sucht man sich jemanden, der das macht.“ Auch Ingolf Jahnke von der CDU bestätigt, dass öffentliche Ausschreibungen zur Disziplinierung der freien Träger benutzt werden sollen: „Das ist unsere Vorstellung.“
Die der GAL im Bezirk hingegen nicht. Die Grünen stimmten gegen den Antrag. „Der Bezirk bleibt hinter den Ergebnissen des Mediationsverfahrens zurück“, kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Karch. Zudem lege sich die Versammlung auf die ausstiegsorientierte Drogenhilfe fest; akzeptierende Hilfe werde nur noch toleriert, soweit sie „als Türöffnerin“ für Abstinenz tätig werde.
Die Eckpunkte sind politische Vorgaben, die für die einzelnen Einrichtungen nicht rechtlich bindend sind. Das werden sie erst, wenn die Fachbehörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) die finanziellen Zuwendungen daran knüpft, dass die Eckpunkte eingehalten werden. Dazu SPDler Schreiber: „Die BAGS steht uns da sehr nahe.“ Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen