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Die SPD-Fraktion sieht alt aus

■ Die zwei jüngsten Abgeordneten sind schon 34 Jahre alt

Wenn der SPD-Abgeordnete Peter Schuster (65) heute als Alterspräsident die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments eröffnet, ist dies symptomatisch für den Zustand der SPD-Fraktion: Das Durchschnittsalter der 42 Abgeordneten liegt bei 48,9 Jahren. Der Spitzenwert aller Fraktionen.

Kein einziger ist unter 30 Jahre. Christian Gaebler und Michael Müller sind mit 34 Jahren die beiden Jüngsten in der Fraktion. „Das liegt am schlechten Wahlergebnis“, sagt Müller. Es gab 17 SPD-Kandidaten im Juso-Alter, allerdings auf den hinteren Plätzen. Für den Sprung ins Parlament reichte dies nicht.

Einen generellen Jugendmangel gebe es nicht bei der SPD, so Müller. In der Tempelhofer SPD-Abteilung, die er leitet, sei die Hälfte der Aktiven unter 30 Jahre alt. „Ich habe den Eindruck, dass da doch wieder was nachwächst“, sagt er. Eine Lücke gebe es eher bei 30- bis 40-Jährigen, der Generation, die an die Grünen verloren ging.

Müller und Gaebler haben beide schon ihr halbes Leben in der Partei verbracht. Beide traten mit 17 Jahren ein. Bei Müller spielte der Einfluss seines Vaters eine Rolle. Jürgen Müller, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbstständige in der SPD, nahm den Filius früh zu Parteiversammlungen mit. Mit 24 Jahren wurde Michael Müller Bezirksverordneter in Tempelhof. Mit 29 wählte ihn die SPD-Fraktion zu ihrem Vorsitzenden. Mit 30 kam er als Nachrücker für die nach Hamburg wechselnde Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit ins Abgeordnetenhaus. Müller, der sich schon mit 22 Jahren als Offsetdrucker selbstständig machte und bis heute den Kleinbetrieb mit drei Mitarbeitern leitet, gehörte bereits in der vergangenen Legislaturperiode dem Wirtschaftsausschuss an. Gerne würde er wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion werden, doch nur, wenn der jetzige Sprecher, Hermann Borghorst (52), eine neue Aufgabe übernimmt. „Borghorst hat den Zugriff“, sagt Michael Müller.

Eine mustergültige Parteikarriere hat auch Christian Gaebler absolviert: Vom Juso-Kreisvorsitzenden Wilmersdorf hat er sich stetig hochgearbeitet. Mit 24 Jahren wurde er in den SPD-Kreisvorstand Wilmersdorf gewählt, mit 28 wurde er stellvertretender Kreisvorsitzender. Zwei Jahre später zog er ins Abgeordnetenhaus ein und wurde mit 32 Jahren Kreisvorsitzender von Wilmersdorf. Der vorläufige Höhepunkt: Im vergangenen Jahr wurde er in den Fraktionsvorstand gewählt.

Gaebler gehörte im vergangenen Jahr zu den Nachwuchspolitikern, die sich in der Lobbygruppe „30 unter 40“ organisierten. Ihr Ziel haben sie nur zum Teil erreicht: In der neuen Legislaturperiode hat sich die Zahl der SPD-Abgeordneten unter 40 Jahren von drei auf sechs verdoppelt. Vier davon sind Parlamentsneulinge, darunter die stellvertretende Hellersdorfer Kreisvorsitzende Iris Spranger (38), Karin Seidel-Kalmutzki (39), Anja Beate Hertl (38) und Hans-Harald Ehlert (37), der Geschäftsführer der Treberhilfe.

Die Nachwuchspolitiker beobachten aber auch, dass die altgedienten Genossen an ihren Posten kleben. Kein Wunder: Wer sich das Abgeordnetenhausmandat über ein Jahrzehnt hinweg hart erarbeiten muss, will, einmal am Ziel angelangt, die schwer verdiente Macht so schnell nicht wieder abgeben. Dorothee Winden

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