■ Pampuchs Tagebuch: Mit Aldi zurück zum Urzustand von Manfred Krug
Die Tage sind hektisch und der erste Schnee fällt. Unsereiner hat viel zu tun, aber andere nutzen die „staade“ Zeit und schlagen zu. Aufrüstungstechnisch. Drei mir nahe stehende User haben sich in den letzten Wochen neue Computer zugelegt, und nun bin ich wieder ein wenig ins Hintertreffen geraten mit meinem kaum eineinhalbjährigen Kistchen. Doch es hat auch seine Vorteile, nicht in der elektronischen pole position zu sein. Nicht nur wegen des Gedrängels, sondern weil die neuen Modelle (oder sind es die alten Benutzer?) allesamt noch nicht ganz ausgereift sind. Jedenfalls hat ein Rundruf meine alte Einsicht bestätigt, dass ein neuer Computer mindestens eine Woche Lebenszeit frißt.
Mein Schwager M., Schweizer und von erlesenem Geschmack, hat sich die neueste Fortentwicklung meines Dual-Laptops gekauft. Mit 14,1 TFT-Bildschirm – und ich glaubte ihn mit meinem 12,1er in den letzten Runden sicher im Griff zu haben, wo er doch erst vor drei Jahren mit seinem 10,8er ins Rennen gegangen war. Wie ich ihn heute anrufe, zeigt er sich „sehr zufrieden“ munkelt aber – nach hartnäckigem Nachfragen – dunkel davon, das „so Sachen passieren“. Die „Leiste da unten“ (wir einigten uns, dass sie wohl „Task-Leiste“ heißt) sei plötzlich ganz klein und er wisse jetzt nicht, wie er sie wieder groß kriegen könne. Ich heuchelte Mitgefühl, dachte aber im Stillen triumphierend: „Hätte er sich nicht so einen großen Bildschirm gekauft, wäre die Task-Leiste auch nicht so klein.“ Es ist ja schließlich nicht so, dass die Tasks automatisch mit dem Bildschirm mitwachsen. Das hat er jetzt davon, aber wie ich ihn kenne, hat er die Sache morgen raus und dann zieht er davon mit seiner hochfrisierten Task-Leiste.
Mein Freund W., eher protestantisch-proletarischer Ethik zugeneigt, hat beim jüngsten Aldi- Angebot zugegriffen. Auf die Frage, ob ihm denn nun seine 2.000-Mark-Erwerbung Freude bereite, murmelte er ein sibyllinisches „Im Prinzip schon“, räumte aber ein, dass das „Wochenende etwas frustrierend“ gewesen sei. Jetzt auf Aldi zu schimpfen wäre aber „a bissel ungerecht“. Der hätte immerhin den Laden aufgrund des großen Andrangs schon vor der Zeit um halb neun aufgemacht und jeder habe glücklich seine Kiste weggeschleppt. Und außerdem biete Aldi eine Rund-um-die-Uhr-Hot-line, die ihm am Sonntag, als er – bereits ziemlich verzweifelt – anrief, Rat zuteil habe werden lassen. Es sei auch nur wegen des Modems gewesen. Das neue sei nicht gegangen, das alte habe nicht gepasst und irgendwie habe das alles mit seinem ISDN-Anschluss zu tun. Den lobt W. übrigens seit einem Jahr über den Schellenkönig, und mit dem hat er mich schon zweimal bei diesem saublöden „Anklopfen“ „makelnderweise“ aus der Leitung geschmissen, was unsere Freundschaft auf eine ernste Probe gestellt hat. So schlich sich auch in dieses Gespräch ein kleiner Triumph, und vergnügt dachte ich an Manfred Krugs Dauer-ISDN-Werbung: „Es gibt Leute, die warten gerne.“ Der Hotline-Onkel von Aldi-Medion hat W. jedenfalls geraten, in der Modemfrage über MS-DOS den „Urzustand“ herzustellen. Das habe er gemacht, „es ging dann aber trotzdem nicht“. Ich glaube, dass W. auf irgendeine Weise einfach den ISDN-Urzustand hergestellt hat. Denn besser als mit diesen Worten kann man den eigentlich nicht beschreiben.
Auch mein Hausgenosse W. hat sich einen nagelneuen PC „mit Pentium 3 oder so“ gekauft. Seitdem sitzt er in seinem Kämmerlein, und versucht, mir E-Mails oder Fax-Botschaften zu schicken. Ab und zu höre ich ihn aus dem Stock unter mir rufen. „Und? Ist was angekommen?“ Toll, wenn man in der elektronischen Formel 1 mit denen ganz vorne noch so auf Tuchfühlung ist. Thomas Pampuch
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