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Das BKA verursacht Zellschäden

■  Ein mutmaßlicher Anführer der „Revolutionären Zellen“ wurde gestern verhaftet. Ihm werden zwei Schusswaffenattentate und ein Sprengstoffanschlag zur Last gelegt

In einer bundesweit angelegten Razzia gegen einen mutmaßlichen Rädelsführer der „Revolutionären Zellen“ hat die Generalbundesanwaltschaft gestern insgesamt acht Wohnungen durchsucht, davon allein fünf in Berlin. Die Maßnahmen richteten sich gegen den 40-jährigen Berliner Tarek M., dem die Beteiligung an zwei Schusswaffenattentaten und die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen wird.

M. wurde festgenommen und sollte heute dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt den Deutschlibanesen, im Jahr 1986 den damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, vor seiner Wohnung in Zehlendorf durch Schüsse in die Beine verletzt zu haben. Knapp ein Jahr später soll M. in Lichterfelde von einem Motorrad aus auf den heute ebenfalls pensionierten Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher, geschossen haben. Außerdem habe er an einem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber 1987 mitgewirkt. In einem Bekennerschreiben hatten die „Revolutionären Zellen“ die Opfer der Schusswaffenanschläge für die bundesdeutscheAsylpolitik verantwortlich gemacht.

Beide Körperverletzungsdelikte sind verjährt. Der erweiterte Haftbefehl gegen M. lautet auf Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung in den Jahren von 1986 bis 1996 sowie Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. In dem Durchsuchungsbeschluss hieß es, „aufgrund des Abschiebeschicksals engster Familienangehöriger“ sei M. damit befasst gewesen, die für den Kampf gegen die Abschiebepraxis des Staates relevanten Anschlagsziele auszuspähen. Noch 1995 habe er etwa 10 Kilogramm gestohlenen Sprengstoff in einem von ihm angemieteten Keller in Prenzlauer Berg aufbewahrt. Der gleiche Sprengstoff sei in mindestens drei Fällen bei Anschlägen der RZ verwendet worden. Der deutsche Staatsangehörige war deswegen schon im Mai festgenommen worden, später aber unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden.

Neben vier Objekten, die Tarek M. zugeordnet wurden, durchsuchten die Beamten auch vier Wohnungen von so genannten Kontaktpersonen. Dabei gingen die BKA-Beamten in zumindest einem Fall nicht gerade zimperlich vor. Bei dem 42-jährigen Georg Maurer (Name geändert) in Treptow beschlagnahmten die etwa 10 eingesetzten Ermittler nicht nur Kontoauszüge und Briefe von Maurer, gegen den nach Auskunft der Bundesanwaltschaft kein Tatverdacht vorliegt. Die Polizisten verweigerten den sechs- bzw. zehnjährigen Kindern der Mitbewohnerin, die an diesem Morgen auch noch eine Erdkundeklausur schreiben sollten, zunächst den Schulweg. „Erst auf mein Drängen durfte ich die Kinder schließlich zur Schule bringen“, berichtete die Betroffene. Auch die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt wurde Maurer verweigert.

Die Generalbundesanwaltschaft begründete die Maßnahme mit den „freundschaftlichen Kontakten“ zu Tarek M.. Maurer sagte dagegen, er habe zwar von 1986 bis 1989 mit M. in einer Wohngemeinschaft in Kreuzberg gelebt. Danach sei der Kontakt aber abgebrochen. Andreas Spannbauer

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