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Hessens Schulen: Behinderte raus

Berlin (taz) – Hessen war das erste Bundesland, in dem die CDU mit Unterrichtsausfall in den Schulen Wahlkampf trieb. Jetzt wird deutlich, wen der neue Ministerpräsident bei seiner Garantie anvisierte: deutsche nichtbehinderte SchülerInnen. Die Muttersprachkurse für ausländische Kinder sollen abgeschafft und die „frei werdenen Stellen dem Regelunterricht zugeführt“ werden.

Ob die bildungspolitischen Maßnahmen der neuen Landesregierung wirklich Stellen sparen, die den Regelschülern zugute kommen sollen, lässt sich nicht absehen. Die 424 Fremdsprachenlehrer bleiben vorerst in Lohn und Brot – sie sollen künftig im sozialen Bereich eingesetzt werden. Wie das geschehen soll, sei allerdings noch nicht geklärt, gesteht die Pressesprecherin des hessischen Kultusministeriums, Ute Primavesi.

Die Koch-Regierung begründet die Entscheidung damit, dass die ausländischen Kids nicht mehr wie „Gastarbeiter“, in ihre Heimat zurückkehren würden. „Sie sollen Deutsch lernen, um hier einen Beruf zu finden“, betont Primavesi. Auf die Frage, ob dafür Deutschkurse eingerichtet würden, sagt die Sprecherin der Kultusministerin Karen Wolff (CDU): „Mittelfristig – für den nächsten Haushalt ist nichts vorgesehen.“

Die Grünen-Landtagsfraktion in Hessen lehnt die Abschaffung des Muttersprachunterrichts ab. Sie fordert ein reguläres Fach, in dem ausländische Kinder Herkunfts- und Sprachunterricht erhalten. „Wenn sie ihre Heimatsprache können, lernen sie leichter Deutsch“, erklärt Priska Hinz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Sie sieht die Abwicklung des muttersprachlichen Lehrangebots, das im vergangenen Jahr 47.507 SchülerInnen nutzten, in einer Linie mit der CDU-Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft: „Integration bedeutet für die Christdemokraten Assimilation.“

Während die Ausländer sich anpassen sollen, werden die Behinderten ausgeschlossen. Bislang versammelt das hessische Integrationsmodell, das vom Kindergarten über die Grundschule bis zu den weiterführenden Schulen reicht, Behinderte und Nichtbehinderte in einem Klassenraum. Die rot-grüne Landesregierung baute das Programm in den vergangenen acht Jahren aus. Im Schuljahr 1998/99 waren 2.470 Lernende mit „sonderpädagogischem Förderungsbedarf“ in den allgemeinen Schulen, 300 mehr als im Vorjahr. Damit soll jetzt Schluss sein. Durch „Einzelfallprüfung“ soll künftig sichergestellt werden, dass nur noch diejenigen zur Regelanstalt dürfen, die „zielgleich“ den Schulabschluss mit den Nichtbehinderten anstreben. Felix Ballhause von der Landesgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ gibt zu bedenken, dass bei der Einschulung der sechsjährigen Kinder bereits eine Prognose über mögliche Schulkarrieren gestellt werden müsste. „Gerade die Erfahrung mit dem gemeinsamen Unterricht zeigt, wie sich Behinderte im Lauf von zehn Schuljahren entwickeln können.“

„Die CDU bezweifelt, dass behinderte Kinder im gemeinsamen Unterricht so gut lernen wie in Sonderschulen“, betont dagegen Primavesi. Der heimliche Lehrplan der neuen hessischen Bildungspolitik aber lautet: Erst wenn die Ausländer Deutsch können und die Behinderten nicht mehr stören, kann der deutsche Normalschüler karrieregerecht gefördert werden.

Isabelle Siemes

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