: Fleißarbeit: Handwerker im Haushalt
SPD und GAL machen vor dem heutigen Beginn der Etatdebatte in der Bürgerschaft ganz und gar in Harmonie. Überraschungen wird es keine geben ■ Von Peter Ahrens
Überraschungen sind so gut wie ausgeschlossen. So wie Senat, SPD und GAL den Haushalt 2000 vorbereitet haben, wird er nach der dreitägigen Debatte, die heute beginnt, auch durchgehen. Die Finanzsenatorin muss nicht fürchten, von zwei selbstbewussten Regierungsfraktionen, die eigene Akzente setzen, in Schwierigkeiten gebracht zu werden. Die Konzepte von CDU und Regenbogen haben bei den Mehrheitsverhältnissen in der Bürgerschaft ohnehin keine Chance.
Ein Desaster für den Senat, wie es die SPD-Fraktion in Sachen Ausschreibung von Sozialprojekten im Sommer Sozialsenatorin Karin Roth bescherte, als Haushaltsausschussvorsitzender Jan Ehlers vom Rednerpult aus Roths Konzept mal eben einkassierte, wird bei den Haushaltsberatungen ausbleiben. Kein Zweifel. Die einzige Kröte, die Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel von den Regierungsparteien serviert bekam – die Anlage eines Pensionsfonds für Beamte – ist im Vorfeld bereits geschluckt und verdaut.
Im Gegenzug geben sich Sozialdemokraten und Grüne bei den übrigen Haushalts-Anträgen weitgehend handzahm: Was SPD und GAL heute auf den Tisch packen, sind reine Prüfaufträge. „Der Senat wird ersucht, über den Stand zu berichten“, heißt es da immer wieder mit vornehmer Zurückhaltung.
SPD und GAL halten sich artig an die Vorgabe, dass der Betriebshaushalt – also der, in dem die laufenden Einnahmen und Ausgaben der Stadt wie Personalkosten oder die Ausgaben für Sozialhilfe zusammengefasst sind – im Jahr 2001 ausgeglichen wird. „Dieses Ziel muss unbedingt eingehalten werden“, sagt SPD-Fraktionschef Holger Christier, und seine GAL-Kollegin Antje Möller macht klar, dass „man sich auf den Kurs der Konsolidierung in der Koalition nun einmal verständigt hat“. Das schränkt die Spielräume der Fraktionen natürlich ein, so bleiben die eigenen Etatvorschläge auf der Ebene einer zwar soliden, aber handwerklichen Fleißarbeit stehen – ob bei den Hilfen zur Erziehung, bei Maßnahmen gegen häusliche Gewalt oder bei finanzieller Unterstützung fürs UKE.
„Es ist ja nicht so, dass wir erst jetzt unsere Schwerpunkte klar machen. Wir begleiten den Entwurf des Haushaltes ja bereits seit Monaten“, versucht Christier, den kraftlosen Eindruck der Regierungsanträge zu erklären. GAL-Haushaltsexpertin Anja Hajduk ergänzt: „Wenn man von dezenten Hinweisen an den Senat spricht, heißt das ja im Klartext, dass der Senat zu etwas verpflichtet wird.“
SPD und GAL hätten hier Anträge vorgelegt, die „gut durchdacht und mit hoher Übereinstimmung entstanden“ seien, sagt Möller, und tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen den Koalitionspartnern beim Haushalt immer mehr. Dafür spricht nicht nur die hohe Zahl der gemeinsamen Anträge von SPD und GAL. Man tut sich schwer, Unterschiede, eigene Schwerpunkte der einzelnen Regierungsparteien auszumachen. Die GAL betont den Bereich Flüchtlingspolitik und Hilfe für MigrantInnen noch etwas stärker als die SPD, die Sozialdemokratie hebt etwas deutlicher auf Wirtschaftspolitik ab, wenn es zum Beispiel um Hilfen für St. Pauli geht. Aber das ist es auch schon. Sich auf die Suche nach Disharmonien, gar nach Koalitionskrach zwischen SPD und GAL zu machen, ist zwecklos.
Wer sich so einig ist, muss sich mit den Konzepten der Opposition nicht lange aufhalten. „Die machen es sich viel zu einfach und wollen überhaupt eine ganz andere Politik“, bügelt Christier die Vorschläge speziell der Regenbogen-Gruppe ab. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit CDU- und Regenbogen-Vorschlägen findet zumindest im Vorfeld der Haushaltsdebatte nicht statt.
Tatsächlich setzen Christdemokraten und Regenbögler teilweise andere Schwerpunkte. Für die CDU und ihren Haushaltsexperten Michael Freytag ist es ohnehin klar: Öffentliche Aufgaben müssen in private Hand wandern – vom Abwasser über die Staatsbank bis zu den Hafenrundfahrten. Das bringt Einnahmen in die Kasse, damit kann man die Staatsverschuldung drücken, und die Zinsbelastung sinkt damit auch. Dass der Senat allein 2,7 Milliarden Mark allein dafür ausgeben muss, um Altschulden zu tilgen, ist für Freytag ein „unhaltbarer Zustand“ und Beleg für „die desolate Haushaltslage der Stadt“. Bremen und Berlin bringt er gern als Positiv-Vorbilder ins Spiel: Dort habe man die Stadtentwässerung erfolgreich teilprivatisiert, dort habe man die Senatorenposten reduziert – in Bremen und Berlin regieren bekanntlich Große Koalitionen.
Der Regenbogen hat wie die CDU ebenfalls eine Rechnung vorgelegt, in der Einnahmen und Ausgaben gegeneinander aufgerechnet sind und sich ausgleichen – zumindest auf dem Papier. Christier ist sich allerdings sicher: „Wenn man da richtig anfängt zu rechnen, tun sich ganz schnell Lücken auf.“ Die Kritik vom Regenbogen an rot-grün ist mindestens so scharf wie von CDU-Seite, kommt aber aus einer ganz anderen Ecke. Gruppen-Sprecherin Heike Sudmann und Haushalts-Fachmann Norbert Hackbusch werden nicht müde, die früheren Partner wegen Sparmaßnahmen im Sozialetat zu attackieren. Sudmann spricht von „sozialer Spaltung der Stadt“, und Hackbusch nennt es „beschämend“, dass rot-grün lediglich von sozialer Gerechtigkeit rede, sie aber im Haushaltsentwurf nicht umsetze. 22,5 Millionen Mark Einsparungen bei der Sozialhilfe seien unakzeptabel. Die Forderung, diese Kürzungen zurückzunehmen, will man durch eine erhöhte Gewerbesteuer und durch intensivere Betriebsprüfungen bei Unternehmen wieder hereinholen. Regenbogen wäre nicht Regenbogen, wenn sie die Haushaltsdebatte der kommenden drei Tage nicht dazu nutzen würde, auch die Drogen- und Flüchtlingspolitik von Rotgrün anzuprangern. Und auch das Thema Entschädigung für Zwangsarbeit wird die Opposition zum Thema machen: Einen sofortigen Entschädigungsfond von 80 Millionen Mark hatten SPD und GAL bereits Ende vergangener Woche abgelehnt.
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