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Einblick in die „Schreckenskammer“

Unter Radunski war man nur Dekor: Der „Rat der Künste“ stellte zum Amtsantritt der Kultursenatorin Christa Thoben seine Arbeitsmaterialien für einen neuen Dialog vor

Man wäre so gerne mit fetter Beute von dieser Pressekonferenz in die Redaktion getrabt. „Frau Thoben, verkaufen Sie ein Opernhaus, und alles wird gut!“ Derartige Rezepte aber wollte der „Rat für die Künste“, der gestern in der Akademie zum Amtsantritt von Christa Thoben im Senat für Kultur ein 21-seitiges Arbeitspapier vorstellte, nicht liefern. „Konzepte wollen wir ja gerade im Dialog mit dem Senat entwickeln“, verteidigte Ivan Nagel als ehemaliger Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele die Strategie, neue Strukturmodelle einzuklagen, aber nicht fertig auf den Tisch zu legen. Die neue Kultursenatorin, an die der Rat appelliert, war nicht erschienen. Terminvereinbarungen laufen noch.

Am dringendsten brauchen wir eine Modernisierung der kulturpolitischen Praxis“, schickte Sabine Weißler, Sprecherin des Rates, dem Gespräch voraus. Man wolle wegkommen vom Klagen über das Geld und mehr Modelle für die Kommunikation zwischen Politik und Kultur aufbauen. Diesem Wunsch folgte dann doch der Einstieg in die „Schreckenskammer“. So nannte Weißler den Streifzug der 15 Kulturarbeiter, die kaum aufs Podium passten, durch die Defizite der kulturellen Förderung.

Thomas Wohlfahrt, der mit einer Skizze der Literaturhäuser begann, prägte das Bild der „kalkulierbaren Armut“: Nirgendwo reichen die Mittel für ein Jahresprogramm, das ist schon im Januar sicher. Am härtesten treffen die Kürzungen das Angebot für Jugendliche. Das bestätigten auch Leiter der Theater- und Musikszene.

250 Einrichtungen sind im Rat für die Künste vertreten, der seit 1994 arbeitet. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehört nicht dazu, wohl aber die Berliner Festspiele, Opernhäuser und Kunsthochschulen. Viele der Teilnehmer sahen während der Ära Radunski ein Problem in der mangelnden Bereitschaft des Senats, sich beraten zu lassen. „Entscheidungsträger haben Ratgeber nur als Dekor gebraucht“, so Weißler. In die Gespräche über Besetzungen für Theater, Oper und Orchester wurden sie nicht einbezogen.

„Aber gerade in diesen Fragen“, moniert Nagel, „hätte man zuerst über Konzepte reden müssen.“ So stellt er sich zum Beispiel einen Ausweg aus der Finanzkrise der drei Opernhäuser nicht zuerst über Einsparungen ganzer Bereiche vor, sondern indem man ihr identisches Repertoire-System diskutiert. Ähnliches mahnte Elmar Weingarten von den Berliner Philharmonikern für die Orchesterlandschaft an, die in den bisherigen Strukturen nicht mehr finanzierbar ist. Dennoch müsse auch hierbei vor allem über Inhalte geredet werden: Es fehlen zum Beispiel Ensembles für alte und neue Musik, oder sie arbeiten, wie das gefragte Ensemble Oriol, zu schlechten Bedingungen.

Nagel versuchte dagegen die Vogelflugperspektive: Aus der sieht man erstens, dass es auch bei 70 Millionen, die jetzt als Fehlbetrag des Kulturhaushalts die Angst vor weiteren Sparverordnungen schüren, um Zehntelprozentpunkte des Gesamtetats geht. Zweitens, dass die Leuchttürme noch alle stehen. Drittens, dass die Basis, auf der sie stehen, immer schmaler wird. Das mag im Moment nicht auffallen, könnte sich auf Dauer aber als Katastrophe erweisen.

Nicht umsonst engagieren sich im Rat für die Künste viele Vertreter der Freien Szene aus Tanz, Theater, Musik, die sich auf dieser Basis in die Enge getrieben sehen. Sie kritisierten deshalb, dass die Mittel des Hauptstadtkulturfonds fast nur den großen Institutionen zugute kamen. Ein Erfolg ihrer Hartnäckigkeit ist immerhin, dass seit September 20 Millionen aus diesem Fonds für Projekte außerhalb der Institutionen vergeben werden. Dem Kurator Dieter Sauberzweig, ehemaliger Kultursenator, steht dabei ein beratendes Fünfergremium bei, das der Rat der Künste vorgeschlagen hat.

Katrin Bettina Müller

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