: „Eine Einigung ist jetzt möglich“
Entschädigung für Zwangsarbeit: Opferanwalt Michael Witti ist hoffnungsfroh. Doch vor Mitte nächsten Jahres wird kein Geld fließen
taz : Die Opferanwälte fordern 11 Milliarden Mark Entschädigung. Woher nehmen Sie und Ihre Kollegen den Optimismus? Der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, will das deutsche Angebot von 8 Milliarden nicht erhöhen.
Optimistisch war es zu glauben, man könnte die Verhandlungen mit 8 Milliarden Mark beenden. Man hat unser Angebot nun jedenfalls zur Kenntnis genommen und reagiert in einer Weise, die eine Einigung jetzt möglich macht.
Noch sehen Sie den Gesetzentwurf aus dem Bundesfinanzministerium als Hürde für eine Einigung. Warum?
Das Gesetz sieht zum Beispiel Mechanismen für das Widerspruchsverfahren vor. Die endgültige Regelung soll jedoch in die Hände eines Kuratoriums gelegt werden. Es hat aber keinen Sinn, das auf später zu verschieben. Das gibt nur Streit. Was sich jetzt regeln lässt, sollten nicht später Kuratorien entscheiden.
Es stellt sich auch die Frage, wie das Geld unter den einzelnen Opfergruppen aufgeteilt wird.
Jeder muss Kompromisse machen. Am Ende wird allen Beteiligten nichts anderes übrig bleiben, als zu einem Konsens zu kommen. Das wird in der Tat eine harte Auseinandersetzung.
Wie erklärt sich das plötzliche Engagement der US-Firmen? Ist Ihre Zusage vor dem Hintergrund des herannahenden Wahlkampf in den USA zu sehen?
Sie erklärt sich in erster Linie mit dem hohen Prozessrisiko. Die US-Firmen sehen täglich, welches Ergebnis Sammelklagen haben können. Die US-Industrie hat erkannt, dass sie keinen Frieden kriegt, solange sie nicht ihren Beitrag leistet. Für sie ist der Wahlkampf das Sekundäre. Diese Problematik würde sich nur für die deutschen Firmen und die deutsch-amerikanischen Beziehungen stellen. Sie stünden vor einer Belastungsprobe, wenn das Thema in den US-Wahlkampf gezogen würde.
Wie lange werden die ehemaligen Zwangsarbeiter nach einer Einigung noch auf ihr Geld warten müssen?
Das Geld kann frühestens Mitte nächsten Jahres verteilt werden. Alles andere sind Versprechungen, die niemand einhalten kann. Die ganze Verwaltung ist erst ansatzweise vorhanden. Auch die Gerichte in den USA stehen vor einer völlig neuen Situation.
Wird es für die zahlungswilligen Firmen denn künftig Rechtssicherheit geben?
Da gibt es Einigkeit: Rechtssicherheit muss her, erst dann gibt es ein Stiftungsgesetz und Auszahlungen. Wir brauchen sie, sonst geht es im nächsten Jahr wieder von vorne los.
Interview: Nicole Maschler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen