piwik no script img

Sensoren zum Glück

Intelligente Küchenschürze und elektronisches Kuscheltier: Womit uns die Haushaltsgeräte-Hersteller ab 2000 beglücken wollen  ■ Von Gernot Knödler

Die Zukunft meint es gut mit NeurotikerInnen: „...Am Freitag abend. Endlich sind Sie losgekommen. Alles geht gut, plötzlich vor der Ausfahrt Kaltenkirchen. Die Freundin entsetzt: Hast Du eigentlich das Bügeleisen ausgeschaltet??? Der Griff zum Handy ++ Auswahl der Komfortfunktion ++ Ja, es ist ausgeschaltet. Die Freundin lehnt sich zurück und träumt schon vom kuscheligen Wochenende auf Samsö...“

Mit Visionen dieser Art wetteifert die Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH (BSH) zum Jahrtausendwechsel mit anderen Weltfirmen um das Entwerfen unserer elektronischen Zukunft. Der Computerisierung unserer Arbeitsplätze folgt dabei die Digitalisierung unserer Wohnungen. „Im Jahr 2002 werden die Hälfte internetfähiger Geräte nicht mehr Personal Computer sein“, prognostiziert Bosch-Siemens und zitiert einen amerikanischen Experten, der glaubt, die totale Vernetzung des Haushalts werde maximal fünf Jahre auf sich warten lassen.

Waschmaschine, Herd und Stereoanlage können dann per Fernbedienung ebenso gesteuert werden wie Rollläden, Türen und die Heizung. Gekoppelt mit den Informationen unterschiedlichster Sensoren wird ein Zentralrechner Statusberichte abgeben können wie der Bordrechner der Enterprise.

Mag es in Europa etwas länger dauern – die Prototypen der Geräte, die uns im neuen Jahrhundert das Leben erleichtern sollen, existieren längst: Im Sommer stellte Electrolux im Design-Haus an der Elbchaussee einen Internet-Kühlschrank vor. Der merkt sich, was er kühlt, sortiert es nach Verfalldatum aus und bestellt online nach. „Das ist das, was unserem Haushalt fehlt“, rief Kollegin H. begeistert aus. Bis dato hatten wir sie eher für technik-skeptisch gehalten.

Doch der „Screenfridge“ ist erst der Anfang: Bei seiner Präsentation bereits dotzte im Nachbarzimmer ein Staubsauger-Roboter gegen die Wände, und den selbstständigen Rasenmäher gibt es auch schon – wenngleich nicht zu kaufen.

Gleich ein komplettes „intelligentes Wohnszenario“ hat sich der niederländische Philips-Konzern in seiner Studie „La Casa Prossima Futura“ ausgedacht. Es beginnt bei Banalitäten wie dem gläsernen Toaster und dem interaktiven Bildschirm, der Rezepte aus dem Internet lädt und die Zutaten dafür im Supermarkt bestellt. Der Single, der selten kocht, legt ihn neben den Herd und tut, wie ihm aufgeschrieben.

Bei der Arbeit hilft ihm die intelligente – und waschbare – Küchenschürze: Sie empfängt Sprachbefehle, mit denen sich die Bildschirmseite des Kochbuches umblättern oder auch eine Kochplatte herunterstellen lässt, ohne dass der Koch die ganze Küche mit seinen fettigen Fingern versauen muss. Eine Waage zeigt an, wieviele Kalorien, Kohlehydrate und Vitamine die Lebensmittel enthalten. Steht das Essen dann auf dem Tisch, können die Gäste mit kugelschreibergroßen, programmierbaren Analysegeräten feststellen, ob kritische Allergene im Schnitzel verborgen sind.

Nach der Mahlzeit wartet „Simple Simon“: Als flacher Bildschirm mit integriertem Scanner und Drucker liegt der Computer, der ohne Festplatte, Tastatur und Maus auskommt, auf dem Wohnzimmertisch. Der Clou: Er wird mit sogenannten Totems bedient. „Jeder einzelne Totem ist die physikalische Darstellung einer bestimmten Datenart, nämlich eines Tagebuchs, eines Fotoalbums, eines Finanzplans, von Spielen oder einer Softwareanwendung“, schreiben die Leute von Philips. Wird eines der handlich-kleinen, mobilen Speichermedien neben den Bildschirm gestellt, öffnet es sofort das entsprechende Programm.

Weil Dauernd-vor-dem-Computer-sitzen dick macht, Sie aber keine Lust haben, das Haus zu verlassen, treiben Sie jetzt ein wenig Sport, Aerobic zum Beispiel. Vorher rufen Sie ihre Freundin an, die sich, wie Sie, Sensoren um Arme und Knöchel schnallt. Computer, Kamera und Videowand bringen Sie dann auf einem virtuellen Trimm-Dich-Pfad zusammen – fast so schön wie im Wald.

Und falls Sie sich bei diesem Lebensstil ein wenig einsam fühlen – die „Ludic Roboter“, „kleine, unberechenbare Haustiere, die auf Sprache, Berührung und Gesten reagieren“, warten schon auf Streicheleinheiten. Und auch bei der intensiven Gestaltung menschlicher Sozialkontakte hilft die Elektronik: Mit einem „Emotion-Container“, einem „kleinen persönlichen Multimedia-Gerät mit Bildschirm, Lautsprecher und Duftbereich“, können Sie ihre tief empfundenen Gefühle zum Ausdruck bringen. Statt Blumen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen