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Der frühere NRW-Ministerpräsident verstieß gegen kein GesetzRau hat uns nicht verkohlt

Erst Altbundeskanzler Kohl, dann Neubundespräsident Rau. Für den politisch durchschnittlich interessierten Bürger drängt sich in den letzten Wochen der Eindruck auf, dass die ganze politische Klasse korrupt und raffgierig ist. Tatsächlich sind das Ausmaß der CDU-Spendenaffäre und die vielen Vergünstigungen, die sich SPD-Politiker in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen während ihrer Amtszeit haben zugute kommen lassen, dazu angetan, das Vertrauen der Bevölkerung in die Parteien und politischen Institutionen dieser Republik nachhaltig zu erschüttern. Dennoch wäre es Aufgabe einer verantwortungsbewussten Berichterstattung, zwischen strafrechtlich relevanten Tatbeständen und politisch-moralischen Bewertungen zu unterscheiden.

Die Frage, ob ein Politiker sich den 65. Geburtstag von einer Bank mit 150.000 Mark finanzieren lässt, ist eine Frage der politischen Hygiene, aber nicht des Strafgesetzbuches. Das unterscheidet den „Fall“ Rau von dem Fall Kohl. Schließlich hat Kohl unter bewusster Inkaufnahme von Verstößen gegen das Parteispendengesetz sein „System“ am Leben gehalten. Bei Rau gibt es dagegen nicht einmal den Hauch eines Verdachts, dass er „geschmiert“ worden ist, um politische Entscheidungen zu beeinflussen – geschweige denn, dass er Spendengelder eingesetzt hat, um politische Entscheidungen abzusichern. Der Versuch einer öffentlichen Demontage von Johannes Rau riecht nach einer politischen Gegeninszenierung frei nach dem Motto: Wo mit Dreck geworfen wird, bleibt auch etwas an den anderen hängen.

Für „Bruder Johannes“, der zeit seines Lebens den Prototyp des asketischen Protestanten verkörpert hat und dessen politische Lebensleistung mit dem Amt des Bundespräsidenten gekrönt werden sollte, ist es bitter, dass trotz der auf der Hand liegenden Unterschiede zur Parteispendenaffäre der CDU nun ein Schatten auf sein Amt gefallen ist. Ein Grund zum Rücktritt ist dies nicht. Lothar Probst

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