Weihnachtsschlagloch: Das wird Gott gefallen
Von Friedrich Küppersbusch
Liebe Gemeinde, uns ist heute der Weinbrand erschienen.
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Die Hütte ist voll, die Kinder von der Jugendgruppe haben ein zeitgemäßes Krippenspiel für uns vorbereitet, und die Väter mit den flotten Digi-Cams können vielleicht jetzt mal abschwenken und sich dann hinsetzen. Am Ausgang sammeln wir für irgendeinen sozialverträglichen Zweck; eigentlich könnten wir das aus der Kirchensteuer finanzieren, aber sicher tut es Ihnen gerade heute gut, (ganz anders als bei der christlichen Geldunion) mal so ganz konkret und sichtbar bisschen Geld rascheln zu lassen.
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„Everytime a good time!“ sagt der Herr, oder er wäre ganz schön froh, wenn ihm sowas eingefallen wäre, und wir dürfen uns heute darüber freuen: Eine Frau hat einen Jungen geboren, ohne Ficken, was uns natürlich alle ganz schön nachdenklich machen sollte und die letzten zweitausend Jahre ja auch schöne Weiterungen gefunden hat, ich denke da an viele psychische Defekte der Triebunterdrückung oder aber auch pfiffige Spielformen aus dem SM-Bereich.Mancher von uns wird über die Festtage auch einfach fressen bis es reicht, so geht’s ja schließlich auch.
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„Sie hatten keinen Raum in der Herberge“, dann kamen die bettelarmen halbkriminellen Hirten und schließlich noch die Fremden mit Geschenken. Wir alle haben von Wohnungsnot, Asylrecht und so gehört, und das ist doch brandaktuell, wenn man so möchte. Möchte wer? Gegenprobe?
OK, muss ja auch nicht sein, wohingegen Sie sicher schon darauf warten, dass wir jetzt mal was singen. Im Faltblatt, das die ungeduldigen Blagen von ihren Sitzen geklaut haben, dürfte inzwischen, das erste Lied dran gewesen sein. Und, bitte schön, das Faltblatt nach dem Gottesdienst wieder hinlegen für die zweite Schicht, stehen ja noch ’ne Menge Leute draußen draußen im Regen.
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„Heute hau’n wir auf die Pauke, ja wir machen durch bis morgen früh!“ Nun lasset uns beten. Wir wollen uns dazu erheben, wer nicht, ist unerheblich. „Lieber Gott, wer Du auch bist / hast Dich sicher längst verpisst. Nimm mein ratloses Gegrübel / heute bitte nicht so übel. Denn die Welt, so kommt’s mir vor: / wer die schuf, der hat Humor. Gäb’s nicht Dein’ Traditionsverein / stünd’ ich heute hier allein. Darum rufet alle froh: Prost! Gesundheit! Weiter so!“
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Fein. Natürlich habe ich heute auch wieder ein paar ganz tolle Gäste eingeladen in meine Show: Helmut Kohl, der Sonnenkönig mit der Sammelleidenschaft, quasi unser Sonnenkollektor; er geht mit’m Beutel rum und verrät nix. Die Singegruppe der Jungen Union will ihn anschließend umbringen, das wird sicher ganz schön spannend. Dann auch topaktuell: Mutter Weimar – ist „Weimar“ nicht wie eben auch „Mutter“ ein Begriff, der uns an dieser Jahrhundertneige Anlass zur Besinnung geben sollte? Sie finden auf dem Faltblatt einen Hinweis, ob sie bei ihrem Auftritt „Verbrennt die Hexe!“ rufen sollen oder aber „Der Vater war’s in Wirklichkeit!“. Da teilen wir die Gemeinde also in zwei Chöre, ich finde das ist eine schöne Form des Wechselgesangs. Das und mehr – nach der Werbung.
„Bei Aldi, Quelle, MediaMarkt – der Gabenfluss ist nicht zu stoppen. / Dort ham wir unser Geld geparkt, dort könn’ wir’s in die Tonne kloppen. / Es scheint dein Wille, lieber Gott / am zweiten Festtag: alles Schrott. / Im neuen Pelz oder auch ohne / sehn wir uns in der Einkaufszone. / Und zeigen unsern Bauch, den fetten, und was wir alles lieber hätten.“
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Nun aber endlich zu unserem Krippenspiel. Das ist ist mal wieder ganz was Besonderes für die janze Familie. Aus Styropor hat unsere Jungschar diesen – hoffentlich haben Sie noch nicht zuviel Kuchen gegessen! – ansehnlichen Scheißhaufen gebastelt, und obendrauf sitzt, natürlich, Fliege. Er leitet das heutige Spiel:
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„Maria, das ist ja eine tolle Geschichte. Und hier ist der Mann, der, ich alter Gauner da unten sag’ das mal einfach so, wie die Jungfrau zum Kind gekommen ist: Jupp!“ – „Hallo, ich bin Jupp, und meiner Alten kann man kein Wort glauben!“ – „Toll Jupp, hier sind ein paar Hirten und Heilige, wie ist das jetzt für Sie, wenn die alle so mit dem Kind rummachen?“ – „Na ja, die Engel da oben, hollaholla, auch nicht ohne, ich meine...“ – „Super, das ist Ihnen sicher nicht leicht gefallen, und nun weiß ich, dass es ihnen besser geht, weil wir mal drüber geredet haben. – Passen Sie gut auf mich auf, sonst ist die Brieftasche weg!“
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Toll, ja, klatschen Sie ruhig, das wird Gott gefallen, wenn in seinem Hause eitel Jublieren ist. In der Spätvorstellung liest ihnen unser Peter Hahne noch ein paar Gedanken zum Sonntag vor, aber Achtung: In dieser Formulierung hat der große Zeichner da oben ein paar Fehler versteckt. Kleine Hilfe – ist bei Peter Hahne der Plural „Gedanken“ nicht etwas gewagt? Tragen Sie die richtige Lösung auf dem Flyer ein, und vielleicht haben Sie den freien Platz in unserem Altenheim für ihre ganz persönliche Altlast gewonnen – da sehe ich schon ein paar Seniorenaugen glänzen!
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Tja, und damit sind wir fast schon wieder am Ende unseres Weihnachtsgottesdienstes. Wer mag, kann jetzt noch ein lecker Abendmahl einnehmen oder eine kritische Haltung zur Amtskirche, halt irgendwas, was nicht dick macht. An unserem Altar – Modell Odelund, Design Knut und Marianne Hagberg – wartet unsere bezaubernde Presbyterin Nadine mit Knäckebrot und Kirschsaft auf die „Lieber-nicht-Fraktion“. Und die Dritte-Welt-Gruppe hat am Aktionstisch für den ganz eiligen Bescherer aus Hanf und anderen biologischen Materialien eine ganz süße Bulimie-Barbie gebastelt, die passt unter jede Tür und regt doch zum vernünftigen Umgang mit den Rohstoffen an.
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So, liebe Gemeinde, Gemeine und Gemeinte, das war’s. Bitte bewahren Sie Ruhe, pöbeln Sie auf dem Heimweg nicht rum, und wenn es Ihnen bei uns gefallen hat, dann haben Sie gehörig eins an der Waffel. Also gehe ich davon aus, dass wir uns nächstes Jahr wiedersehen. Kommt Jesus sauber durch die Pubertät? Weiß Maria, dass Josef seit Jahren arbeitslos ist? Und vor allem: Hätte sich die Barbarei der Kreuzigung nicht durch einen humanitären Kampfeinsatz verhindern lassen? Für die Darsteller der Nato-Kampfgruppe „Bethleforce“ suchen wir noch junge Menschen, die Freude an der Nächstenliebe haben! Aber – und damit möchte ich schließen – suchen wir das nicht alle? Eben, eben. Guten Abend.
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