: Eine Garantie kann niemand geben
Trotz aller Vorbereitungen bleiben Computerprobleme zum Jahreswechsel möglich
Apokalyptiker stellen sich Berlin zur Jahreswende ungefähr so vor wie das New York in John Carpenters Film „Die Klapperschlange“: Duster, chaotisch, gefährlich. Damit sich solche Visionen nicht erfüllen, haben sich Berlins Unternehmen nach eigenen Angaben gut auf den Jahreswechsel und das gefürchtete „Jahr-2000-Problem“ vorbereitet.
Die Strom- und Gasversorger Bewag und Gasag sowie das Verkehrsunternehmen BVG bereiten sich seit 1997 auf den Jahreswechsel vor, andere Unternehmen wie die Landesbank Berlin oder das Klinikum Charité erst seit einigen Monaten. Sie haben ihre Computeranlagen per Simulation getestet. Untaugliche Systeme seien umgerüstet, neu programmiert oder ausgetauscht worden, heißt es allerorten. So hat die Bewag 20 Millionen Mark für die Überprüfung und Erneuerung ihrer Anlagen investiert, die Charité eine Million. Spitzenreiter ist die Telekom mit bundesweit 300 Millionen.
Eine Garantie, dass es nicht doch zu Störungen kommt, gibt aber niemand. Die meisten Unternehmen planen zentrale Leitungs- und Koordinierungsstäbe. Deren Kommunikation mit der Außenwelt, etwa mit Polizei und Feuerwehr, soll durch Funkgeräte und „Feldtelefone“ gesichert werden. In den Leitungsstäben werden Mitarbeiter und EDV-Spezialisten via CNN beobachten, was in den Ländern geschieht, die durch die vorgeschobene Datumsgrenze als Erste in das neue Jahr kommen, um auf dort auftauchende Probleme noch reagieren zu können.
Deshalb wird Silvester auch eher zur Arbeits- als zur Feststunde. Das Personal in Bankfilialen, Kraftwerken, Gasübernahmestationen und Notrufzentralen wird aufgestockt. BVG und Charité haben eine Urlaubssperre verhängt. 8.500 Polizeibeamte aus Berlin und anderen Bundesländern werden in der Hauptstadt unterwegs sein. In früheren Silvesternächten waren es 2.000. „In Anbetracht der nicht auszuschließenden Computerproblematik und der Feiern in Berlin-Mitte“, so Polizeisprecher Uwe Kozelnik, sei die Aufstockung notwendig. Die Feuerwehr ist mit 1.800 Beamten unterwegs.
Die Ursachen möglicher Störungen sind vielfältig. „Die Bewag ist Teil des Westeuropäischen Stromnetzverbundes. Störungen in einem System können sich auf andere Systeme auswirken“, erklärt Bewag-Sprecher Siegfried Knopf. Doch auch die Strompartner hätten sich gut vorbereitet. „Die Stromversorgung Berlins wird funktionieren“, versichert Knopf.
Die Gasag hingegen kann nicht ausschließen, dass die Versorgung aus Osteuropa stockt. Davon wäre das Unternehmen mittelbar betroffen, denn einige der Hauptlieferanten beziehen einen Teil ihres Gases aus Osteuropa. Für den Notfall gibt es einen prall gefüllten Erdgasspeicher, mit dem Berlin nach Aussagen des Gasag-Sprechers Klaus Haschker „20 Tage lang versorgt werden kann“.
Die BVG wird um Mitternacht ihre U-Bahnen stoppen, um zu vermeiden, dass die Wagen bei einem Stromausfall im Tunnel stehen. Für diesen Fall stehen, so Detlev Kruse, Direktor für den Bereich Information und Kommunikation bei der BVG, Busse bereit. „Alles was Räder hat, ist in der Silvesternacht einsatzbereit“, sagt Kruse, räumt aber ein: „Wenn wirklich etwas passiert, hat die BVG niemals die Kapazitäten, um so einen Ausfall aufzufangen.“
Die Landesbank setzt bei Stromausfall auf Notstromaggregate. Die versorgen zwar die Großrechner der Bank, nicht aber die Geldautomaten. Volker Winde, Sprecher der Landesbank, rechnet aber nicht mit Störungen – außer durch atypisches Kundenverhalten. „Wenn viele kurz vor Mitternacht Geld und Kontoauszüge ziehen, aus Panik, dass Daten weg sind oder sie kein Geld mehr bekommen“, so Winde, könne das System kollabieren. Vorsorglich werde daher mehr Geld als sonst in den Automaten deponiert.
Isabel Merchan
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