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Gefrierfach für die Opfer

■ Ein bisschen Krimi, ein bisschen Blut / Im Rechtsmedizinischen Institut geht es um die letzten Stunden vor dem Mord, und das ist manchmal ganz schön spannend

Der Eingang für die Toten ist ganz hinten. Fröstelnde zwei Grad erwartet sie im Lager des Rechtsmedizinischen Instituts. Vorne tobt dann meist der Bär. Gerade bei Mordfällen wuseln Polizisten und Angehörige im Wartezimmer herum, das mit braunen Holzfunier-Wänden eher nach Bestattungsunternehmen aussieht.

Rechtsmediziner Karl-Heinz Hoffmann weiß meist schon morgens beim Zeitungslesen, was an dem Tag auf ihn zukommt: Stehen „ungeklärte Todesfälle“ im Polizeibericht, bedeutet das Sezierarbeit am Operationstisch.

Ein „Stoßgeschäft“ sei die Arbeit im Rechtsmedizinischen Institut, meint Hoffmann. Manchmal passiere wochenlang nichts, und Hoffmann hätte gerne was zu tun. Und dann wird's auf einmal hektisch.

Dann liefert ein Transporter die Toten durch die Hintertür. Verpackt in weiße Plastiksäcke mit Reißverschluss rundum, verschwinden sie hinter einer der 21 Türenklappen. Alles aus kaltem Edelstahl. Davor ein Zettel. Ist der Zettel gelb, ist immer Mord im Spiel – zumindest der Verdacht. Die Leichen hinter den einfach weißen Zetteln gehören dagegen zur Pathologie. Da geht es nur um viel langweiligere „natürlich Tode“, findet ein Präparator. Die drei Türen ganz außen sind Gefrierfächer. Minus 12 Grad soll die Fälle frisch halten, in denen „der Staatsanwalt noch überlegt, ob seziert wird oder nicht.“

Seziert wird einen Stock höher. Ein Edelstahl-steriler Operationssaal – der einzige Blickfang sind grüne Bäume im Hof. Bei Mordfällen wird es hier ganz schön voll: Bis zu zehn Menschen scharen sich dann um den kalten OP-Tisch. Zwei Ärzte, manchmal der Chefarzt, der Staatsanwalt, zwei Präparatoren, die Kripo. Jetzt liegen einsatzbereit zwei Holzklötze auf dem großen Tisch: einer für den Kopf, einer für den Rücken.

Die grobe Schneidarbeit an den Leichen machen die Präparatoren. Ihre Waffen liegen in sauberen Schubladen versteckt. Darin wimmelt es vor Farbklecksen: eine rote Rosenschere (für die Rippen), Messer in allen Größen mit gelben Plastikgriffen. Dann wieder bewährtes Kalteisen: Sägen, Hammer und Meißel. Fingerlange Nadeln und endlos Nähgarn stehen griffbereit auf dem Tisch.

Die Obduktion wird mit Digitalkameras fotografiert. Irgendwann sollen Videos kommen und jeden Moment für das Gericht festhalten. Das Ziel des Pathologen sind die Innereien. Sie werden rausgenommen und gewogen. Kleine Schnipsel werden für weitere Untersuchungen abgezwackt. Dann kommt alles wieder rein, meint Hoffmann.

Der Operationstisch hat eine große Abflussrinne. Blut fließt dabei nicht, nur Wasser für's Klarspülen: „Denn wenn der Kreislauf nicht mehr geht, gibt es auch kaum Blut,“ erzählt der Rechtsmediziner. Vom Großeingriff bleibt eine dicke Zickzack-Naht übrig, die über Brustkorb und Bauch läuft. Manchmal auch über Arme und Beine.

Auf gut 200 Obduktionen kommen die Bremer Ärzte dieses Jahr. Kosten jeweils um die 1.000 Mark. Beim Sezieren sind die Pathologen selbst Detektive. Todeszeit, Todesart können sie feststellen – bis auf 30 Minuten genau, wenn wenig Zeit vergangen ist. Oberste Devise ist daher schnell an die Leichen zu kommen. Vor Ort aber herrsche ein „hartes Verteilungsgesetz“, erklärt Hoffmann. Als erster darf der Erkennungdienst der Polizei ran. Dann die Pathologen. Und da vergeht manchmal viel Zeit.

Für Zartbesaitete ist der Job in der Pathologie nichts. Aber so schlimm findet Hoffmann die psychischen Belastungen nicht: „Bei uns stirbt ja keiner wie im Krankenhaus.“ Im Gegenteil: „Ich finde es spannend, wenn ich was rausgefunden habe“. Zum Beispiel, dass die Toten erst noch weggeschleppt wurden, oder dass sie zuletzt Currywurst gegesssen haben. „Das gibt manchmal wichtige Hinweise“, sagt Hoffmann, der früher immer Jura studieren wollte und gerne Krimis liest.

Bei der Arbeit blendet er die Gedanken an die Opfer aus. Scheuklappen anlegen – alles andere wäre zu belastend. Besonders wenn „alte hilflose Leute ermordert wurden,“ sagt er. Wird der Mörder gefunden, verfolgt Hoffmann den Prozess. Und die Urteile. Früher hat er über die Justiz ganz anders gedacht. Heute sind ihm manche Urteilssprüche zu mild: „Manchmal müssten die Richter die Opfer sehen. Dann sähen die Urteile vielleicht anders aus.“ pipe

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