piwik no script img

Der Millennium-Bug war nichts als ein Pups

Der Feuerwehr-Bug zu Silvester blieb in Berlin die Ausnahme. Auch am ersten Arbeitstag liefen die Rechner in den Betrieben wie eh und je. Nun warten alle Computerpessimisten auf den 29. Februar

Nur der Feuerwehr war esein Rätsel, warum sichin der Silvesternacht derRechner abgeschaltet hatte

Nun können sie es endlich sagen, die Techniker: „Das ganze Geraune kam doch vor allem von denen, die keine Ahnung hatten“, sagt der technische Leiter der Firma Engel, Ulrich Guhl, und meint die Katastrophenszenarios für die Zeitenwende. Seine Firma hatte neben dem Berliner Senat mehrere Unternehmen fit fürs Millennium gemacht. „Und ich sage Ihnen: Wir waren uns ganz sicher, dass alles klappt.“

Am ersten Arbeitstag des neuen Jahrtausends liefen die Computer, ohne dass die Rechner die frisch erstellten Dateien mit dem Datum 3. 1. 1900 versahen und die deutsche Gesellschaft in die Anfänge des Datenträgerzeitalters zurückbeamten. Sowohl in den Bundesministerien als auch beim Berliner Senat hieß es deshalb lakonisch: Business as usual. Immerhin war dem Senat diese Nachricht laut Werner Harpke vom Landesamt für Informationstechnik mehr als eine Million Mark Updatekosten wert gewesen.

Der größte „GAU“ in Berlin wäre der Ausfall der Stromversorgung durch die Bewag gewesen. Aber die 20 Millionen, die das Unternehmen im Vorhinein in den Check-up der Computer gesteckt hatte, verhinderten, dass Berlin im neuen Jahr einem dunklen Landstrich auf der Erdkugel gleicht. Allerdings hatte die Bewag für die Silvesternacht dennoch alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Die Stadt wurde laut Sprecherin Barbara Meier in der Silvesternacht autark versorgt. Alle 13 Kraftwerke liefen auf Volltouren. Ansonsten bezieht die Hauptstadt ein Viertel ihres Stromes aus anderen Bundesländern.

An neuralgischen Punkten wurden darüber hinaus Bewag-Mitarbeiter positioniert. Sie sollten im Fall der Fälle schnell eingreifen. Denn mehr Angst als vor der Jahrtausendwende hatte die Bewag offenbar vor gewöhnlichen Stromausfällen durch die Kappung von Stromleitungen. Meier: „Wenn in der Nacht Strom bei 500 Haushalten ausfällt, glauben die Leute doch: So, das ist jetzt der Millennium-Bug. Das Risiko wollten wir nicht eingehen.“ Probleme könnte es bei einigen Unternehmen laut Meier allerdings noch am 29. Februar geben. Einige Programmierer hätten den Tag schlicht vergessen. Das Jahr 2000 ist kein Schaltjahr nach der Alle-4-Jahre-Regel, sondern nach einer Regel, die nur selten relevant wird: der Teilbarkeit durch 400.

Nur die Feuerwehr war in der Silvesternacht auf sich und die traditionelle Zettelwirtschaft gestellt. Der Hauptrechner der Feuerwehr fiel von 0.04 Uhr bis 5.30 Uhr aus. Sprecher Wolfgang Rowenhagen noch am Montag leicht irritiert: „Es ist uns ein Rätsel, warum der Rechner sich abschaltete. In einer Woche wissen wir mehr.“ Durch den Ausfall verzögerte sich in der Silvesternacht jeder Einsatz um rund 1,5 Minuten, und einige Einsatzorte wurden gleich zwei- bis dreimal angefahren. „7.000 Notrufe gingen bei uns ein. So viele hat es in der Geschichte der Feuerwehr noch nicht gegeben“, nennt Rowenhagen einen Superlativ der Nacht.

Die Befürchtung einiger Bürger, im neuen Jahrtausend gebe es möglicherweise nicht mehr genug zu essen, kann nicht bestätigt werden. Ebenso wenig sind die Bankkonten durch Computerfehler plötzlich leer gefegt. Volker Winde, Pressesprecher der Berliner Bankengesellschaft: „Es funktioniert alles.“ Natürlich hatten auch wir einen dicken Ordner mit Katastrophenplänen. „Bei der Berliner Bank und Sparkasse sollte im Notfall alles durch Botengänge geregelt werden.“ Annette Rollmann

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen