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Naumann greift Berliner Kultursenatorin an

■ In seinem Bemühen um Einfluss in der Berliner Kulturpolitik läutet Staatsminister Michael Naumann (SPD) eine neue Runde ein. Gleichzeitig fordert er mehr Engagement anderer Bundesländer in der Hauptstadtkultur

Der Zwist zwischen den beiden mächtigsten Kulturpolitikern der Hauptstadt steuert auf einenHöhepunkt zu. Kaum ist die neue Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) im Amt, schon übt Staatsminister Michael Naumann (SPD) heftige Kritik am Finanzgebaren im Berliner Kulturbetrieb. „Es geht nicht an, dass sich in Berlin riesige finanzielle Defizite wie Naturgewalten öffnen“, sagte Naumann der Wochenzeitung Die Zeit.

Der Staatsminister erneuerte seine Forderung nach einer Umwandlung der vom Bund geförderten Einrichtungen in privatrechtliche Gesellschaften, in deren Aufsichtsrat der Bund mitbestimmen solle. Nur so lasse sich eine „ordnungsgemäße Haushaltsführung“ sichern. Es sei „Berliner Logik“, wenn Thoben eine solche Mitsprache von noch höheren Zahlungen des Bundes abhängig mache.

Insgesamt sollen in diesem Jahr 667 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt in die Berliner Kultur fließen, davon 100 Millionen Mark in Einrichtungen, die bisher von Berlin alleine getragen wurden. Diesen Mitteln komme bisher „ausschließlich die Funktion zu, Haushaltslöcher zu stopfen“, monierte Naumann. „Man möchte aber schon wissen, wie effizient das Fördergeld verwandt wird.“ Als Beispiel für mangelnde Kontrolle nannte Naumann ein Gespräch mit dem Intendanten eines der beiden großen Opernhäuser im vergangenen Jahr: „Der Intendant erklärte beim Nachtisch en passant, er habe ein Defizit von 5 Millionen Mark.“ Auch der damalige Kultursenator Peter Radunski (CDU) habe erst bei dieser Gelegenheit davon erfahren.

Im Kulturetat des Landes Berlin fehlen nach Naumanns Angaben rund 90 Millionen Mark. Radunski hatte bisweilen durchblicken lassen, man müsse den Berliner Kulturbetrieb lediglich bis zum Regierungsumzug über die Runden retten. Dem Staatsminister hingegen missfällt, „dass der Kulturetat der Stadt in eine große Krise gerät, ausgerechnet in dem Moment, in dem die Regierung hierher zieht.“

Gleichzeitig forderte Naumann, auch die übrigen Bundesländer sollten sich an der Berliner Kultur stärker beteiligen. Er kritisierte insbesondere, dass sich Bayern an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nur mit 300.000 Mark jährlich beteilige, während Nordrhein-Westfalen mehr als 14 Millionen Mark zahle. Solche Ungleichgewichte wirkten „wie verspätete Reflexe auf die Zeit vor Bismarck“. Es sei „schon witzig, dass alle Bundesländer sich in der Hauptstadt teure Botschaften bauen und dann kulturpolitische Investitionen unter Wilhelminismus-Verdacht gestellt werden“.

Berlin habe als Hauptstadt „eine identitätsstiftende Legitimationsfunktion“, die allerdings „nicht chauvinistisch ausgeübt“ werden dürfe. Das gehöre zu einem „aufgeklärten Begriff der Nation“. Es sei seine „altmodische Überzeugung“, so Naumanns Bekenntnis, dass „hier – zum Beispiel in der Musik – genau jener Lebenstrost zu haben ist, den wir mehr denn je benötigen“. Ralph Bollmann

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