Vorlauf: X-Akten der alten Welt
„Geisterjäger John Sinclair“, 22.15 Uhr, RTL
Spricht der Angelsachs' von einer Gattung namens Mystery, meint er meistens den herkömmlichen Kriminalroman. Eine TV-Serie wie „Akte X“ hingegen kennzeichnet er als Fantasy. Sehr durcheinander geriet das Etikettieren, nachdem man in unseren Breiten anhob, Mystery mit dem Vorhandensein übernatürlicher Phänomene gleichzusetzen.
Da dergleichen – dort Fantasy, hier Mystery, bitte wiederholen – in den USA Quoten und Erträge zeitigte und auch in Deutschland viele Anhänger fand, mühte sich RTL, es den US-Amerikanern gleichzutun – und langte mit „Operation Phoenix – Jäger zwischen den Welten“ erst einmal gehörig daneben. Im weiteren aber besann man sich darauf, dass ein in Deutschland ersonnener, sogar bereits wissenschaftlich examinierter Held mit schottischen Vorfahren seit immerhin 1973 so etwas Ähnliches wie die X-Akten bearbeitet. Anders als Scully & Mulder muss John Sinclair, Geisterjäger im Dienste Scotland Yards, keine Beweise mehr erbringen für die Existenz fabulöser Wesen und Gestalten, er ist ein qua Geburt Berufener.
In über 1.000 wöchentlich erscheinenden Heftromanen war John Sinclair bereits erfolgreich zugange und nie zimperlich im Umgang mit Ektoplasma oder Fangzahnträgern. 1997 debütierte er dann auch im Fernsehen und kehrt nun (neu besetzt) zurück, außerweltlichem Gewürm aller Art den Garaus zu machen.
War „Operation Phoenix“ ein äußerst schwerblütiges Unternehmen, ist „John Sinclair“ eine Serie mit hohem Spaßfaktor. Die Produzenten waren gut beraten, die Trivialität der Vorlage nicht nur beizubehalten, sondern geradezu herauszustellen. Zumindest den Pilotfilm durchweht der Geist ursprünglicher Low-Budget-Produktionen, wenn die Darsteller stets ein wenig neben der Rolle zu stehen scheinen und so unbeholfen daherreden wie echte Menschen. Zudem ist der Auftaktfilm originell inszeniert mit seinen der Comic-Ästhetik nicht unverwandten Bildern. Ein bisschen schräg, ein bisschen schundig – so gehört es sich ja schließlich. Harald Keller
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