piwik no script img

Arbeitsamt jumps around

Um an die Jugend ranzukommen, ließen Mitarbeiter des Arbeitsamtes Nord Flyer drucken, zogen coole T-Shirts an und luden zum HipHop-Konzert in die Kulturbrauerei. Die 16-Jährigen fanden das „voll korrekt, ey`` ■ Von Kirsten Küppers

„Sponsored by Arbeitsamt klingt ziemlich uncool“, erklärt ein Jugendlicher, während er sich aus dem Arbeitsamt-Faltblatt eine Tüte baut

Die Kirche, die SPD, die Deutsche Bahn und jetzt auch noch das Arbeitsamt. Alle haben sie ein Problem: Die Jugend rennt überallhin, nur nicht zu ihnen. Dass das irgendwas mit zu viel Vatischweiß und zu wenig Musik drin zu tun haben könnte, ist vorgedrungen. Drum setzen die grundguten deutschen Dinosaurierinstitutionen nun auf den Türöffner aus dem amerikanischen Ghetto: HipHop. Gottesdienste mit rappenden Seniorenpriestern in Turnschuhen und unbehände hoppelnde Oskar Lafontaines sind das Ergebnis. Man ist gespannt, was kommt wohl noch?

Am Freitag gab das Arbeitsamt Berlin Nord zur brav-besten Kaffeezeit ab 16 Uhr seine Version des Jugendköderings zum Besten. Beherzt erklärte das größte Arbeitsamt der Stadt, es sei „unter die Hiphoper gegangen“ und lud ins Kesselhaus der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg zum „Hiphop Event made by Arbeitsamt“, um für das Jugendförderprogramms „100.000 Jobs für Junge“ der Bundesregierung zu werben.

Zum Spottpreis von 5 Mark lockte das Konzert der Berliner Untergrund-Rapper „Piranha“ und „Rauchabzug“. Bekanntere Szenegrößen wie „Die Pilzen“, „Deichkind“ aus Hamburg und der amtierende deutsche Meister im Plattenauflegen „DJ Hype“ sollten dazu das Ding für die Massen sein. „Korrekter Preis“ war denn auch das einhellige Urteil der knapp 500, die kamen. Nur dass da in der Ecke noch ein Stand vom Arbeitsamt herumvegetierte, war den meisten egal.

Nicht aber den 15 Mitarbeitern des Arbeitsamtes. Seit Sommer hatte Arbeitsvermittlerin Sigritta Behnisch mit ihrem Projektteam diese Veranstaltung vorbereitet. Man hatte Flyer, Plakate und Aufkleber drucken lassen und zum Event extra die jüngeren Kollegen mitgenommen. „Denn wir wollen zeigen, dass wir doch nicht so verkalkt sind, wie wir für junge Menschen wohl oft den Anschein erwecken“, erklärt sie. Schließlich habe das Arbeitsamt mit dem Sofortprogramm der Bundesregierung der Jugend „definitiv was anzubieten“, Beratung, Lohn-, Aus- und Weiterbildungskostenzuschüsse zum Beispiel. In besonderen Fällen habe das für die Bezirke Weißensee, Pankow, Wedding, Prenzlauer Berg, Tiergarten und Reinickendorf zuständige Arbeitsamt sogar Schwierigkeiten seine ABM-Angebote zu bestücken, weil es zu wenige Interessenten gebe, fügt ihre blonde Kollegin hinzu.

Um den jungen Menschen entgegenzukommen, haben sich die Arbeitsvermittler also an diesem Abend T-Shirts angezogen, auf denen „Jump around“ oder „Die neue A-Klasse“ steht. (A-Klasse mit dem klassischen Arbeitsamt-A). Einer mischt sich mit einer verkehrt herum aufgesetzten Basecap unter das Publikum. Denn die Jugendlichen sind scheue Tiere, das hat man inzwischen rausgekriegt. Forsch drücken gleich am Eingang drei hibbelige Damen vom Amt den hereinströmenden Jungs und Mädels Faltblätter in die Hand. Doch „die Schwellenangst der Jugendlichen, zu uns zu kommen, ist sehr groß“, hat Sigritta Behnisch festgestellt. Deshalb sollen die „worker“ in den T-Shirts „direkt in die Menge reingehen“, um einzelne Exemplare anzusprechen und, wenn alles klappt, in ein Hinterzimmer mit braunen Sofas abzuführen, wo ein „persönliches Gespräch“ stattfinden soll.

Das Publikum straft derlei Bemühungen elegant mit Nichtbeachtung oder mit einem lässig dahingeworfenen „übelst cool“ oder „voll korrekte Idee, ey“. „Die Verbindung zwischen Arbeitsamt und HipHop ist mir nicht so ganz klar. Ich mach erst in drei Jahren Abi, deshalb mach ich mir jetzt noch keine Sorgen um Jobs“, meint ein 16-Jähriger. Ein anderer, der sich gerade mit Hilfe des Faltblatts vom Arbeitsamt eine Tüte baut, erklärt: „Sponsored by Arbeitsamt klingt ziemlich uncool. Aber mit Arbeit hab ich’s sowieso nicht so.“

Die Gäste sind schließlich wegen denen da, die da über die Bühne schlenkern und den Laden rocken. Und das funktioniert. Der Saal ist voll, alles wippt, auch eine Arbeitsvermittlerin. Die 21-jährige Rapperin Piranha bringt die Stimmung auf den Punkt: „Solang die Boxen laut sind, hab ich kein Problem mit“, singt sie.

Der Arbeitsamtstand schaukelt ungelenk mit, auch wenn eine Mitarbeiterin meint, es sei „ein wenig laut und verqualmt“. Insgesamt hätte man sich von Seiten der Behörde „ein bisschen mehr Interesse erhofft“, seufzt eine Arbeitsvermittlerin und nimmt mit trauriger Miene einen Schluck Bier. Immerhin gelang es einer Kollegin, an die Freestyler, die auf der Bühne behaupteten: „Ich bin arbeitsloser Rapper“ und „Ich kann gar nix“, Visitenkarten zu verteilen. Der 26-jährige arbeitslose Marcel bescheinigt sogar dem Berater, der ihm im Sofazimmer die Kostenübernahme für die Weiterbildung als Bühnenbauer verspricht, „der ist o.k., der Mann“.

Von der undankbaren Rolle des Aufpassers bei der Klassenparty trotzdem genug bedient, montieren die Arbeitsvermittler um 22 Uhr ihren Stand ab. DJ Hype legt erst in einer halben Stunde Platten auf, die Hauptattraktion „Deichkind“ beginnt nicht vor 23 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen