: Helmut Kohls Vertrauter demontiert die Bundes-CDU
Ein Intimus des Ex-Kanzlers widerruft die Angaben, mit denen er die schwarzen Konten der Partei klären half. Bundestagsverwaltung: 40 Millionen Mark Strafe für Hessen-CDU
Berlin (taz) – Vorgestern noch vermeldete die CDU, es sei nun alles klar in ihrem verworrenen Kontensystem. Einen Tag später ist alles wieder offen. Der frühere Abteilungsleiter Verwaltung im Konrad-Adenauer-Haus, Hans Terlinden, wies im Tagesspiegel rundweg alle jüngeren Finanzerklärungen der CDU zurück.
Kein Wort davon stimme, sagte Terlinden in Bezug auf die Angaben der CDU, er habe dem ehemaligen Landeschef von Schleswig-Holstein, Ottfried Hennig, 100.000 Mark in bar übergeben. Wegen der neuerlichen Offenbarung einer Bargeldübergabe war die Nord-CDU „aus allen Wolken gefallen“ – in Schleswig-Holstein hatte sich Volker Rühe (CDU) bis vor wenigen Tagen noch Hoffnungen gemacht, SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis bei den Wahlen Ende Februar abzulösen.
Die Berliner CDU-Zentrale steht nun vor dem Scherbenhaufen ihrer Versuche, das schwarze Kontensystem ihres ehemaligen Vorsitzenden Helmut Kohl aufzuklären. Die Erklärung über den in Teilsummen noch ungewissen Verbleib des 1,145-Millionen-Mark-Tranfers von einem Konto der CDU-Fraktion wird nun von zwei Seiten angezweifelt. Von Terlinden – und vom Landesverband Schleswig-Holstein, der behauptet, die 100.000 Mark seien nie in Kiel angekommen. Die unappetitliche Frage lautet nun: Hat Volker Rühes Vorgänger Ottfried Hennig, der inzwischen verstorben ist, Kohls Zuschuss vielleicht selber eingesteckt?
Die CDU wies ihrerseits das Dementi Terlindens zurück. Ihr Ex-Abteilungsleiter habe sehr wohl mit den Wirtschaftsprüfern zusammengearbeitet, sagte CDU-Sprecherin Eva Christiansen der taz. Dabei seien Geldtransaktionen nach Schleswig-Holstein und nach Mecklenburg-Vorpommern kontenmäßig aufgeklärt worden. Von einem angeblichen Treffen Hans Terlindens mit der Parteispitze am heutigen Freitag wusste die CDU nichts.
Im Konrad-Adenauer-Haus wurde unterdessen auf ein „Gschmäckle“ verwiesen, das die Äußerungen des Kohl-Getreuen Terlinden hätten. In der Tat haben die Angaben des CDU-Mannes binnen weniger Stunden zwei Unions-Größen in Probleme gebracht. Den Nord-Spitzenkandidaten Volker Rühe – und auch CDU-Generalsekretärin Angela Merkel. Sie musste eingestehen, dass sie als Vorsitzende der Union in Mecklenburg und Vorpommern nicht ahnte, dass einer ihrer Generalsekretäre aus einer schwarzen Kasse Kohls bezahlt worden war. 100.000 Mark seien dem Manager für die CDU im Nordosten bezahlt worden – so lautet jedenfalls die Darstellung Terlindens.
Die Bundes-CDU befindet sich nun in der Zwickmühle, dass ihre Wirtschaftsprüfer die Angaben Terlindens übernommen haben, um den Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 richtigzustellen. Das Dementi Terlindens zieht den Bericht nun aber wieder in Zweifel. Von der Richtigkeit des Berichts aber hängen die Überweisungen ab, die Bundestagspräsident Thierse am 15. Februar an die Parteien leistet.
Auch an einer anderen Stelle droht der CDU ein Finanzdebakel. Der hessischen CDU stehen wegen ihres hauseigenen Spendenskandals Regresszahlungen in Höhe von 39 Millionen Mark ins Haus. Rund 13 Millionen Mark waren der hessischen CDU in den letzten zehn Jahren aus Liechtenstein zugeflossen – angeblich alles Erbschaften. Keiner der vermeintlichen Erblasser wurde bisher namentlich genannt. Das ist mit dem Parteiengesetz nicht vereinbar; anonyme Spenden an Parteien müssen dem Gesetz zufolge an die Bundestagsverwaltung abgegeben werden.
Die anonymen Vermächtnisse verbuchte die hessische Union jahrelang als „sonstige Einnahmen“. Die Bundestagverwaltung ist, wie die Frankfurter Rundschau erfahren haben will, nun der Auffassung, dass die falsch angegebenen Spenden dreifach zurückzuzahlen sind. Wie berichtet, sind namhafte Experten wie der Hagener Parteienforscher Martin Morlok gleichfalls dieser Auffassung.
Unterdesssen hat auch der Waffenhändler Schreiber neue Informationen über eine wichtige Person der Spendenaffäre – Brigitte Baumeister Schatzmeisterin von 1992 bis 1998. Aus Schreibers Tagebüchern sei ablesbar, dass sich Baumeister 1994 mit ihm in Zürich getroffen habe. Sie hatte bisher abgestritten, mit Bargeldlieferanten der CDU persönlich zu tun gehabt zu haben. So auch gestern: Sie habe zur fraglichen Zeit an einer CDU-Fraktionssitzung teilgenommen. cif/kpk/kn
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