: Bremen besitzt das Bernstein-Mosaik
■ Die mögliche Erbin wurde finanziell abgefunden / Berlin verhindert aber derzeit die Rückführung des Stein-Mosaiks
Das berühmte Mosaik aus dem Bernsteinzimmer des Sommerpalastes von Zarskoje gehört seit Monaten dem Land Bremen. Und Bremen würde es gern an Rußland zurückgeben – die Bundesregierung und insbesondere das Auswärtige Amt des Ministers Joschka Fischer (Grüne) verhindern das aber.
Unabhängig von dem Strafprozess um das Bernsteinzimmer-Mosaik hatte der Bremer Kaufmann Bernd Hockemeyer, Präses der Handelskammer, die Rückgabe rechtlich möglich gemacht: Er hatte die Enkelin des deutschen Soldaten, der das Mosaik vermutlich aus Russland mitgenommen hatte, mit einer sechstelligen Summe dazu bewegen können, auf alle möglichen Erb-Ansprüche zu verzichten. Bremen als neue Besitzerin geht nun davon aus, dass das Bild nach Russland gehört, unterstrich gestern Bürgermeister Henning Scherf. Der Leiter des Osteuropa-Institutes an der Bremer Uni, Professor Wolfgang Eichwede, der sich seit Jahren kompetent und einfühlsam um die Rückführung von Beutekunst kümmert, hat mit der russischen Seite gleichzeitig über 101 Kunstwerke geredet, die russische Soldaten 1945 aus der Kunsthalle „mitgenommen – gerettet – geplündert, wie Sie wollen“ (Eichwede) hatten. 1993 wurden diese Kunstwerke anonym in der Deutschen Botschtaft in Moskau abgegeben. Dort lagern sie seitdem. Bisher hatte Russland zwar eingeräumt, dass diese Bilder keine „Beutekunst“ sind und ganz offiziell Deutschland gehören. Aber eine Ausfuhrgenehmigung dafür gab es bisher nicht.
In komplizierten Verhandlungen ist nun im vergangenen Herbst erreicht worden, dass die russische Seite einer Ausfuhr der 101 Bremer Bilder – darunter ein wertvolles Landschaftsaquarell von Dürer – zustimmt. Bremen hat immer versichert, dass es das Bernsteinzimmer-Mosaik auch zurückgeben will. Auf dieser Ebene gab es eine offizielle Verständigung.
Allerdings liegen die Bilder im Keller der Deutschen Botschaft. Und ohne Zustimmung des Auswärtigen Amtes darf auch kein russisches Kunstwerk aus Deutschland zurückgeführt werden. Während in Russland alle „bürokratischen Einwände überwunden“ sind, berichtete Bürgermeister Henning Scherf, sei das in Berlin nicht der Fall. Im Klartext: Das deutsche Auswärtige Amt verhindert derzeit die Rückgabe des Bernstein-Mosaiks. Über die Motive gibt es nur Spekulationen: Möglicherweise neiden die Beamten, die seit Jahren glücklos verhandeln, den Bremer Unterhändlern ihren Erfolg. Möglicherweise passt ein kleiner Austausch nicht in das Szenario der großen Beutekunst-Blockade, das derzeit zwischen Berlin und Moskau gespielt wird.
Möglich geworden ist die bremer Verhandlungsposition nur durch die großzügige Spende des Handelskammer-Präses. In einem Strafverfahren versucht Bremens ehemaliger Innensenator Ralf Borttscheller seit Monaten, dass das Bernsteinzimmers-Mosaik zum rechtmäßigen Besitz letztlich der Enkelin des deutschen Wehrmachts-Soldaten erklärt wird. Trotz der Rolle des früheren Innensenators ist es allerdings gelungen, der Erbin den Verzicht auf mögliche Ansprüche zu einem Preis abzukaufen, der für Hockemeyer verträglich war.
Bremens Unterhändler haben die Hoffnung nicht aufgegeben, wenigstens die 101 Bremer Bilder doch noch bald zurück in die Kunsthalle zu bekommen und das Bernsteinzimmer-Mosaik zurückzusenden. Wenn der neue russische Ministerpräsident Putin seinen Antrittsbesuch in Deutschland plane, erläuterte Scherf die Bremer Strategie, dann werde er sicher im Vorfeld darauf bestehen, dass der in Russland mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Bernsteinzimmer-Streit vorher geklärt werde. K.W.
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