: Duell der Nachrichtenspender
Zu n-tv gesellt sich ab Montag N 24: Der Markt für Nachrichten wird enger und das Fernsehen um einen unnötigen Zweikampf reicher ■ Von Arno Frank
Berlin (taz) – Schenkte man ihren Worten Glauben, dann hätten die Herren dort oben auf dem Podium Sonnenbrillen tragen müssen – so hell strahlte die Zukunft ihres Senders von einer Leinwand, auf der bunte Balkendiagramme das erfolgreichste Jahr in der Geschichte (1992) von n-tv illustrierten.
Für das vergangene Jahr bilanzierte die Geschäftsführung am Donnerstag mehr als 16 Millionen Mark Gewinn, eine Umsatzsteigerung von 40 und eine Erweiterung der Reichweite um 15 Prozent. Trotzdem versprühten Kenneth Jautz und Helmut Brandstätter den Optimismus von Fußballern, deren Mannschaft in der Pause mit 16 zu 0 führt – weil der gefürchtete Gegenspieler in der ersten Halbzeit gar nicht auf dem Platz war.
Der heißt N 24, kommt aus München, hat sich durch Testsendungen schon mal warm gelaufen und wird am kommenden Montag um 11.30 auf Spielfeld geschickt. Und will dort in einer Liga spielen mit den Vollprogrammen von ARD, ZDF (inklusive 3.sat und Phoenix). Neben Sat.1 und RTL drängen zudem die vielerorts empfangbaren US-Kanäle CNN, NBC und CNBC auf den Markt, auch BBC World beanprucht ein Stück des Kuchens.
Es gleichen sich die Sender wie ein Ei dem anderen
Wobei der Berliner Sender n-tv als Teil des jüngst entstandenen Online- und Medienriesen AOL Time Warner nicht die schlechtesten Voraussetzungen mitbringt – Geschäftsführer Jautz war maßgeblich am Aufbau von CNN in Deutschland beteiligt und saß für die Amerikaner im Aufsichtsrat von n-tv.
Da in Deutschland auch nach etlichen Jahren Schulenglisch keine große Liebe für die internationalen – und im Fall CNN recht US-lastigen – Kanäle entbrannt ist, gibt es beim globalen Marktführer seit 1998 auch „deutsche Fenster“. Sie werden von der Deutschen Fernsehnachrichtenagentur DFA aus Düsseldorf zu geliefert und geben Insidern Rätsel auf: Schließlich macht sich hier der CNN-Mutterkonzern Time Warner auf eigenem Platz Konkurrenz. N-tv wird nicht müde zu betonen, dass dieses Angebot selbstverständlich nur ergänzend gemeint sei. Das wohl nur die halbe Wahrheit, denn eine Ausweitung der deutschsprachigen Sendungen auf CNN wird vehement ausgeschlossen.
Doch mit N 24 wirbt nun ein zweiter deutscher Privatsender erstmals um exakt dieselbe Zielgruppe wie n-tv – und ist nicht mal von schlechten Eltern: N 24 gehört zur ProSieben-Gruppe und kann, abgesehen von Synergieeffekten mit Pro 7 und Kabel 1, auf die hauseigene Nachrichtenagentur ddp-ADN zurückgreifen. Zudem wird der amerikanische Mediendienst Bloomberg Inhalte liefern. Wenn also N 24-Geschäftsführer Ulrich Ende prognostiziert, in spätestens vier Jahren die Gewinnzone zu erreichen, ist seine Zuversicht begründet. Denn: „N 24 ist Teil einer multimedialen Gesamtstrategie, Information zum zweiten Standbein der ProSieben-Gruppe aufzubauen“.
Mit der ehemaligen ProSieben-Moderatorin Sabine Noethen und dem hessischen Spaßvogel Thomas Koschwitz ist für bekannte Gesichter gesorgt, n-tv setzt mit Sandra Maischberger und Erich Böhme dagegen, der statt „im Turm“ nun „in Berlin“ talkt. Chefredakteur Helmut Brandstätter gibt sich im Gespräch denn auch kämpferisch: „N-tv ist und bleibt das einzige Informationsvollprogramm in Deutschland. Was die ARD mit dem ‚Brennpunkt‘ manchmal schafft, das machen wir jeden Tag.“
Dass der neue Mitbewerber N 24 seinem Sender gleicht wie ein Ei dem anderen, ficht Brandstätter nicht an: „Wir fühlen uns bestätigt, wenn wir kopiert werden.“ Auf der Suche nach Allianzen hatte n-tv, Ironie des Marktes, in der Vergangenheit auch mit ProSieben über Kooperationen verhandelt, ohne sich auf eine Zusammenarbeit einigen zu können. Und greift jetzt seinerseits zu kosmetischen Korrekturen, sich mit technischen Features auf den neuesten, nämlich den Stand von N24 zu bringen. „n-tv hat in den letzten Monaten qualitativ deutlich zugelegt“, lautete denn auch der etwas maliziöse Kommentar von ProSieben-Vorstand Georg Kofler.So kann das geschäftig am unteren Bildschirmrand dahineilende Laufband aus aktuellen Aktienkursen nun bei beiden Anbietern per Teletext erweitert werden, Sportergebnisse oder Kursgewinne kann sich der Kunde als konfektionierte Meldung auf das Display seines Handys spielen lassen. Schließlich verdienen die Sender ihr Geld keineswegs mit teuer zu produzierenden Nachrichtensendungen, sondern mit zusätzlichen Serviceleistungen für die als „Premium-Zielgruppe“ umschwärmten Zuschauer. Die tragen ihr Geld statt auf die Bank an die Börse und den Neuen Markt, sind jung – und vorwiegend männlich, wie N 24-Chef Ulrich Ende fast entschuldigend einräumte. „Nachrichten sind nun mal männeraffin“, heißt das im üblichen Branchensprech, praktisch bedeutet es Auto-, Motor- und Sportsendungen auf n-tv und N 24.
Ähnliches gilt wohl auch für die „Premium-Leserschaften“ im Lande. Die FAZ („Zeitung für Deutschland“) beteiligte sich für etwa 50 Millionen Mark mit 25,1 Prozent an N 24 („Willkommen im Jetzt“). So können einerseits die Frankfurter, nach missratenen Ausflügen zu RTL, ihren Wirtschaftsteil um einen TV-Ableger erweitern, andererseits profitiert N 24 als Spross einer unterhaltungsorientierten Senderfamilie vom seriösen Ruf den Printmediums. N-tv („Der Sender für Entscheider“) konnte das Handelsblatt („Tokio beendet den Handel etwas leichter“) als Partner gewinnen, die Wirtschaftszeitung steuert inzwischen etwa 30 Prozent des Programms bei.
Verbreitungsgebiet für N 24 problematisch
Für das kommende Jahr wird für den Markt ein Wachstum von 5 Prozent erwartet – eine gesunde Entwicklung, weshalb auch ProSieben-Vorstand Georg Kofler „ausgesprochen gelassen“ in die Zukunft sieht. Beide, n-tv und N 24, rechnen mit zweistelligen Zuwächsen. Und obwohl Kofler den Konkurrenten „einen gewissen Trainingsvorsprung zugesteht“, will er „in 12 bis 18 Monaten im gemeinsamen Verbreitungsgebieten bei den Quoten schon an n-tv“ herangekommen sein.
Das Verbreitungsgebiet ist der einzige wirkliche Schwachpunkt für N 24. Der Münchner Nachrichtenkanal wird vorerst nur etwa 30 Prozent deutscher Fernsehhaushalte über das Weltgeschehen informieren können. n-tv hat diese Geburtswehen bereits hinter sich und erreicht – per Kabel, über Satellit oder terrestrisch – 88 Prozent der Haushalte.
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