Querspalte
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Sokrates Kohl

Politisch liegen die Linken am Boden, aber linkes Gedankengut breitet sich metastasenförmig über den Gesellschaftskörper aus und zersetzt die Werte, auf denen unser Gemeinwesen ruht. Jüngster Beleg für diese offenkundige Tendenz: die Übernahme von Theorie und Praxis des zivilen Ungehorsams durch Dr. Helmut Kohl.

 Wie einst die Blockadeure von Mutlangen der Pershing II den Weg versperren wollten, so hat sich auch unser langjähriger Bundeskanzler zum Sitzstreik niedergelassen, um den in seinem Hosenboden befindlichen Zettel mit den Namen der Spender dem Zugriff der Parteifreunde wie der Staatsmacht zu entziehen. Dem von den damaligen Friedensfreunden entfalteten Banner des gewaltlosen Widerstands folgend, verletzt Helmut Kohl das Gesetz um eines Gewissensentscheides willen. Was steht höher, das positive Recht oder die sittlichen Grundprinzipien, vor denen es sich legitimieren muss? Kohl hat sich, von Pater Basilius Streithofen beraten, fürs Naturrecht entschieden.

 Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Es galt, die Freiheit vor dem Sozialismus zu verteidigen. Die höheren Werte bewahren sich nicht von selbst. Man muss sie verbreiten. Das kostet Geld. Wer das nicht sieht, ist ein Idiot. Verleumderisch die Behauptung einiger Konservativer, Kohl lasse es an Respekt, ja an Verständnis für die Institutionen des Staates fehlen. Er hat seine Ehre gerade für die höchsten Werte verpfändet. Und er stellt sich, wie die Blockierer des Jahres 1983, mutig den Konsequenzen seines Tuns. Er flieht nicht, er verbirgt sich nicht. Wie gerne stünde er vor den Schranken des Gerichts, um anschließend den Schierlingsbecher zu leeren. Er will dem Beispiel des Sokrates folgen. Aber die CDU-Führer, kleinmütig wie sie nun mal sind, lassen ihn nicht.

Christian Semler