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Letzte Diagnose neu geregelt

■ Neues Gesetz zur Sektion von Leichen soll Rechte von Patienten stärken und der medizinischen „Qualitätssicherung“ nützen

Sie ist „letzte Handlung“, die ein Arzt für seinen Patienten verrichten kann: die Sektion, die fachgerechte Öffnung eines Leichnams. Ob und wann MedizinerInnen sie vornehmen dürfen, um zu ermitteln, an welcher Krankheit der Patient letztlich gestorben ist, soll jetzt neu geregelt werden. Die Bürgerschaft wird in ihrer Sitzung in der kommenden Woche ein entsprechendes neues Gesetz verabschieden.

Bisher musste der Patient zu Lebzeiten oder seine Angehörigen nach seinem Tode in eine Sektion einwilligen. Nach dem neuen Gesetz darf auch seziert werden, wenn jemand krankheitsbedingt nicht einwilligen konnte, Angehörige binnen 24 Stunden nicht erreichbar sind, und die Sektion zur „Qualitätssicherung“ der Medizin dringend notwendig ist.

Denn 30 bis 50 Prozent aller Diagnosen in Deutschland sind falsch, erklärt Peter Zamory, gesundheitspolitischer Sprecher der GAL. Der deutsche Ärztetag fordert deshalb, dass in Krankenhäusern, die Ärzte weiterbilden, 30 Prozent der Verstorbenen seziert werden. Derzeit ist es bundesweit ein Prozent. „Das hängt auch mit einer gesellschaftlichen Tabuisierung von Sterben und Tod zusammen“, meint Zamory. In Österreich liege die Sektionsrate beispielsweise bei 80 Prozent. Zamory hofft, dass das neue Gesetz „offensiv informiert, dass man sich Gedanken machen sollte, was mit einem passieren soll, wenn man tot ist“.

Doch das Gesetz soll nicht nur MedizinerInnen nützen, sondern auch die Rechte von PatientInnen und Angehörigen stärken. Eine Sektion darf danach nicht vorgenommen werden, wenn sie erkennbar dem Willen der Verstorbenen zuwiderläuft oder Angehörige widersprechen. Letzteres gilt auch für vom Patienten bevollmächtigte Personen, die im Zweifel sogar gegen die Angehörigen entscheiden dürfen. Zudem haben Hinterbliebene das Recht, das Ergebnis der Untersuchung zu erfahren und auch selber eine Sektion zu fordern – etwa bei Schadensersatzansprüchen. Und: „Das äußere Erscheinungsbild des Leichnams ist nach der Sektion wiederherzustellen.“

Heike Dierbach

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