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Aufruf zum Kampf gegen Völkermord

In ihrer Abschlusserklärung zur Holocaust-Konferenz fordern die Teilnehmerstaaten eine Öffnung aller Archive. Vertreter der Sinti und Roma werden in Stockholm zu Randfiguren degradiert ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Mit einer „Stockholmer Erklärung“ endete gestern die dreitägige Holocaust-Konferenz in Schwedens Hauptstadt. In dieser Erklärung verpflichten sich 47 Staaten, die Erinnerung an die Massenvernichtung der Juden durch das nationalsozialistische Deutschland wach zu halten, und sprechen sich für die Öffnung aller noch verschlossenen Archive in Sachen Holocaust aus. „Wir werden alle notwendigen Schritte einleiten, um die Öffnung der Archive zu ermöglichen“, heißt es in der Erklärung. „Damit soll sichergestellt werden, dass Forscher Zugang zu allen Dokumenten erhalten, die den Holocaust betreffen.“

Andere Punkte heben die Bedeutung eines Kampfes gegen Völkermord, Rassismus und Antisemitismus hervor und unterstreichen die Wichtigkeit von Forschung und Ausbildung. Die Schlusserklärung war seit November mit den wichtigsten Teilnehmerländern abgestimmt, hat aber keine bindende Wirkung und war auch nicht zur Unterzeichnung durch eine der teilnehmenden Delegationen vorgesehen. Schweden hat sich stattdessen verpflichtet, auf die Einhaltung „hinzuwirken“.

Wie schwer dies zu werden verspricht, zeigte sich in Stockholm in den einzelnen Seminaren und Workshops. Vor allem die VertreterInnen osteuropäischer Länder fielen hier mit ihrer Neigung zu Selbstlob auf und dem Versuch, ihnen unangenehme Themen einfach zu übergehen.

So behauptete Litauens Premierminister Andrius Kubilius, sein Land sehe keinen Handlungsbedarf, „da es hier nie irgendwelchen Antisemitismus gegeben hat“. Dagegen spricht nicht nur die Ermordung von zehntausenden Juden während der deutschen Besetzung, an der auch litauische SS-Soldaten und Todesschwadronen litauischer Nationalisten aktiv beteiligt waren. Auch heute gibt es noch genügend Beispiele für antisemitische Stimmungen im Land, die Angehörige der Jüdischen Gemeinden in Litauen schilderten.

Ähnlich „gefärbte“ Darstellungen waren von TeilnehmerInnen der ukrainischen, russischen, tschechischen und slowakischen Delegationen zu hören. Slowakiens Staatspräsident Rudolf Schuster erzürnte die Vertreter der Roma, weil er eine feindliche Einstellung der Slowaken gegenüber den Roma leugnete.

Von dieser Volksgruppe waren nicht mehr als eine Handvoll Delegierte in Stockholm präsent. Die Verfolgung der Roma durch die Nationalsozialisten wurde bei der Konferenz so gut wie nicht erwähnt – Bundeskanzler Gerhard Schröder war eine Ausnahme –, ihre aktuelle Verfolgungssituation ebenso wenig. Dabei machten Materialien, vor allem eine vom Jüdischen Komitee der USA veranlasste Umfrage in mehreren Ländern, klar, dass vor allem die Sinti und Roma in Europa als „Hassobjekt“ an die Stelle der jüdischen Bevölkerung getreten sind.

Dieser Umfrage zufolge wollen in Deutschland 22 Prozent nicht neben einem Juden wohnen, einen Roma als Nachbarn lehnen 68 Prozent ab. In der Slowakei liegt letztere Zahl bei 87, in Tschechien bei 81 Prozent.

Ian F. Hancock, Roma-Repräsentant aus den USA, bemerkte: „Schwedens Regierung hat mir ein 1.-Klasse-Flugticket geschenkt, aber ich frage mich, was ich hier soll. Im Programm komme ich nicht vor.“ Hancock zog Paralellen zwischen den Dreißigerjahren und der aktuellen Flüchtlingspolitik. Damals seien die Grenzen für jüdische Flüchtlinge geschlossen worden. Heute führten immer mehr Länder eine Visumpflicht gegenüber Roma ein.

In Stockholm waren neben den Homosexuellen die Roma die „Vergessenen“ der Holocaust-Konferenz. Erst für heute, nach Abschluss der Konferenz, stehen einige Seminare zum Thema Roma-Verfolgung an. Hancock: „Kein Mensch kümmert sich mehr um uns. Ich frage mich, ob die schwedische Regierung mich nur hierher geholt hat, damit sie kein schlechtes Gewissen haben muss.“

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