: Computeraffäre beim Türkischen Bund
■ Der progressive türkische Dachverband wählt am Samstag einen neuen Vorstand. Doch die Wahlen werden von einer gefälschten Computerrechnung überschattet. Dem Vorstand wird vorgeworfen, seine Kontrollpflicht vernachlässigt zu haben
Wenn sich die 125 Delegierten des Türkischen Bundes (TBB) am Samstag versammeln, um einen neuen Vorstand zu wählen, wird sich zunächst alles um die Aufklärung einer Affäre drehen. Und um die Frage, ob der jetzige neunköpfige Vorstand seine Kontrollpflichten ausreichend wahrgenommen hat.
Der Dachverband, der 24 Mitgliedsvereine vertritt, ist offenbar Opfer eines unseriösen Computerhändlers geworden. Anfang Februar deckte Vorstandsmitglied Ali Yildirim auf, dass die Rechnung des Zwischenhändlers Alper A. in Höhe von 3.900 Mark gefälscht war. Die Computerfirma, auf deren Briefkopf die Rechnung über den Computer Magic P III ausgestellt war, erklärte, die Rechnung stamme nicht von ihr.
Der Computer war für das Projekt „Hand in Hand gegen Ungleichbehandlung“ bestimmt, für das der TBB die Trägerschaft übernommen hat. Im TBB-Vorstand ist Nurdan Kütük für dieses Projekt verantwortlich. „Ich bin keine Computerexpertin“, wies sie Vorwürfe zurück, ihre Kontrollpflicht verletzt zu haben.
Drei weitere Computer wurden dem TBB-Projekt Zipp geliefert, dem Zentrum für interkulturelle Berufs- und Beschäftigungsförderung. Zwei davon sind nach Angaben Yildirims alte, gebrauchte Geräte. Zudem sei für drei Computer nur ein Software-Programm geliefert worden, auf zwei Computern seien Raubkopien installiert. Das für dieses Projekt verantwortliche Vorstandsmitglied Cumali Kangal erklärte gestern, er sei mit dem Zwischenhändler Alper A. „nicht zufrieden“. Dieser habe aber für viele türkische Projekte Computer installiert, dort sei alles problemlos gelaufen. Inzwischen hat der TBB einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der rechtliche Schritte gegen den Zwischenhändler prüfen wird. Zudem wird der TBB die für den Computerkauf bestimmten Gelder an den Senat zurückgeben.
In die Kritik geraten sind vor allem die beiden Vorstandsmitglieder, in deren Verantwortungsbereich die beiden Projekte fallen, Kütük und Kangal. Sie waren im Juni vergangenen Jahres zu Sprechern des TBB gewählt worden, nachdem Emine Demirbüken und Safter Cinar auf Druck des damaligen Vorstandes zurückgetreten waren. Damals hatte es in Teilen des TBB Bedenken gegeben, ob die damals 29-jährige Kütük genug Erfahrung für das Amt habe.
Der Vorwurf, der gesamte Vorstand habe seine Kontrollfunktion ungenügend wahrgenommen, kommt nicht nur von Yildirim, sondern auch von der früheren TBB-Sprecherin Emine Demirbüken. „Es geht um den Ruf des TBB.“ Über die Arbeit ihrer beiden Nachfolgerinnen Kütük und Eren Ünsal sagte Demirbüken: „Ich erwarte mehr Selbstständigkeit von Sprecherinnen.“
Emine Demirbüken hat noch nicht erklärt, ob sie erneut für den Vorstand kandidieren will. Sie war im vergangenen Jahr nach einer umstrittenen Rede zurückgetreten. Safter Cinar will sich hingegen erneut um ein Vorstandsamt bewerben. Er bescheinigte dem Vorstand, aber auch den beiden Sprecherinnen „gute Arbeit“. Die Computeraffäre werde benutzt, um den jetzigen Vorstand zu desavouieren, meint Cinar.
„Wir klären alles auf“, versicherte gestern TBB-Geschäftsführer Kenan Kolat. Doch Yildirim kritisiert: „Diejenigen, die Nachforschungen anstellen, werden behindert.“ Er fordert mehr Transparenz vom Türkischen Bund. Die deutsche Öffentlichkeit wird der Vorstandswahl allerdings nicht folgen können. Denn der Verein, der sich die Integration türkischer Migranten auf die Fahnen geschrieben hat, führt seine Vollversammlung auf Türkisch durch. Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen