: Schuldnern geht es an den Geldbeutel
SPD und Grüne wollen die Zahlungsmoral per Gesetz heben und damit Mittelstand und Handwerk vor Liquiditätsproblemen retten
Berlin (taz) – Gehören Sie auch zu denjenigen, die ihre Telekom-Rechnung erst nach der ersten oder zweiten Mahnung bezahlen? Dann müssen Sie sich demnächst auf Überraschungen gefasst machen. Wenn sich die Fraktionen von SPD und Grünen mit ihrem gemeinsamen Gesetzentwurf zur Beschleunigung fälliger Zahlungen durchsetzen, werden Sie auch ohne weitere Erinnerung 30 Tage nach Erhalt und Nichtbezahlen einer Rechnung in „Zahlungsverzug“ geraten und dafür mit entsprechenden Zinsen bestraft. Gleichzeitig würden allerdings auch kürzere Zahlungsfristen, wie sie gerne von Versandhäusern benutzt werden, hinfällig. Jedenfalls für Privatleute. Der Entwurf soll heute im Rechtsausschuss diskutiert, in der kommenden Woche durchs Parlament geschleust und bereits im Mai Gesetz werden.
Ziel ist die „Verbesserung der Zahlungsmoral in der Wirtschaft“. Diese zählt zu den häufigsten Ursachen für Liquiditätsprobleme bei kleinen und mittleren Unternehmen.
Allein 1998 wurden acht Millionen Mahnbescheide verschickt. Und 75 bis 80 Prozent aller Insolvenzen gehen auf hohe Außenstände zurück, erklärt ein Sprecher des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft. Allein im vergangenen Jahr seien deswegen in Deutschland rund 350.000 Arbeitsplätze verloren gegangen.
Besonders prekär ist die Situation in der Bauwirtschaft, wo es sich meist um Aufträge im sechs- oder siebenstelligen Bereich handelt. Fällige Zahlungen werden hier oft unter Berufung auf Mängel zurückgehalten, die dann in einer umfangreichen Bestandsprüfung aufgeklärt werden müssen.
Die säumigen Zahler sind überall zu finden, vor allem aber in den Branchen, die zugleich am meisten über Zahlungsverzug klagen – Bau- und Transportwirtschaft. Auch Kommunen und Länder lassen ihre Gläubiger gerne etwas länger warten.
„Zahlungsverzug ist kein Kavaliersdelikt“, heißt es aus dem Büro des grünen Rechtsexperten Helmut Wilhelm. Der Gesetzentwurf sieht deshalb neben der 30-Tage-Frist auch vor, die Verzugszinsen auf knapp acht Prozent über dem gesetzlichen Basissatz anzuheben. Das wäre fast eine Verdoppelung der derzeitigen 4 Prozent. Um zu vermeiden, dass Auftraggeber die Zahlung nach Belieben verzögern, indem sie Mängel vorschieben, sollen Unternehmen zugleich Anspruch auf Abschlagszahlungen für bereits fertiggestellte Arbeiten erhalten. Zudem darf die Abnahme nicht mehr bei geringfügigen, sondern nur noch bei wesentlichen Fehlern verweigert werden. In Streitfragen ändert sich die Beweispflicht: Bisher musste das ausführende Unternehmen die Mängelfreiheit darlegen können, künftig obläge der Nachweis, dass die Arbeit nicht zufriedenstellend ausgeführt ist, dem Besteller.
SPD und Grüne erwarten „einen Konsens“ über den Gesetzentwurf, den sie bereits im vergangenen Jahr in erster Lesung in den Bundestag eingebracht hatten und dann wegen größerer Widerstände noch einmal überarbeiten mussten. Die CDU fordert aber weitergehende Regelungen zur Durchsetzung von Geldforderungen, unter anderem pauschalen Schadenersatz, wenn der Auftraggeber „unbegründet vom Vertrag zurücktritt“ sowie mehr richterliche Befugnisse. Die PDS bemängelt dagegen ein immer noch „unausgewogenes Verhältnis von Gläubiger- und Schuldnerschutz“ und zielt damit in eine ähnliche Richtung wie die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AGV). „Der Verbraucher ist, besonders als privater Hausbauer, in einer noch schlechteren Position als der Mittelstand“, so AGV-Sprecherin Helga Kuhn. Das berücksichtige der Entwurf kaum. Diese Lücken müssten nun bei den Reformen des allgemeinen Schuldrechts und des Baurechts geschlossen werden.Beate Willms
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen