piwik no script img

Hessische Wagnerianer fürchten ihre Basis nicht

... aber das Wahlprüfungsgericht, das einen Tag vor dem FDP-Sonderparteitag abermals zusammentritt ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Was passiert, wenn die FDP-Basis doch Kochs Kopf fordert? Oder Neuwahlen? Kriegt die CDU dann nur 15,7 Prozent?

Wiesbaden (taz) – Was passiert, wenn sich die hessische FDP-Basis auf dem Sonderparteitag am 4. März mehrheitlich für den Rücktritt von Ministerpräsident Koch oder gar für Neuwahlen ausspricht? Wird sich die Landtagsfraktion diesem Votum dann auch beugen? Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Hessischen Landtag, Jörg-Uwe Hahn (43), der so treu zu seiner Parteichefin Ruth Wagner steht wie Ruth Wagner zu Roland Koch, antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Diese Frage stellt sich nicht.“

Denn der Sonderparteitag werde keinen Beschluss fassen, der den des Landesvorstandes vom vergangenen Sonnabend in Lich konterkariere. Die „hessische Linie“, glaubt Hahn fest, werde im Gegenteil bestätigt. Wird Rotenburg an der Fulda – dort soll der Sonderparteitag stattfinden – nach Lich also das zweite Waterloo für den Bundesvorsitzenden der FDP, Wolfgang Gerhardt, der sich für die Beteiligung der Basis an der Entscheidungsfindung in Hessen stark gemacht hatte?

Hahn ist sich da ganz sicher, auch wenn sich zehn Kreisverbände respektive deren Vorsitzende (denn Mitgliederversammlungen zum Thema fanden nicht statt) für die Einberufung dieses Sonderparteitages stark gemacht haben sollen. Zehn von 26 Kreisverbänden.

Seinen Kreisverband hat Hahn im Griff. Die Wetterauer gehören nicht zu den Kritikern des Landesvorstandes, auch nicht so wichtige Kreisverbände wie Frankfurt oder Wiesbaden. Die FDP in Hessen würde doch „Harakiri“ begehen, wenn die Delegierten tatsächlich den Landesvorstand mit Ruth Wagner an der Spitze abschießen sollten, glaubt etwa der Kreisvorsitzende der FDP in Wiesbaden.

Auch im Kreis Groß-Gerau kann die FDP-Vorsitzende Brigitte Schlüter einem Sonderparteitag nur wenig abgewinnen. Das Thema hätte auch auf dem regulären Landesparteitag Ende März diskutiert werden können. „Die Leute müssen doch erst einmal wieder zu sich kommen“, sagte sie der FR. Die Fraktion im Landtag jedenfalls stand auch gestern noch geschlossen hinter Ruth Wagner und dem Landesvorstand. Ein bisschen „Informationsarbeit“ werde man an der Basis vielleicht noch zu leisten haben, sagten Hahn und Wagner übereinstimmend.

Mehr Gedanken machen sich die Spitzen der symbiotisch verbundenen Koalitionäre FDP und CDU in Hessen da schon über den Tag davor. Da tritt in Wiesbaden erneut das Wahlprüfungsgericht zusammen, um zu beraten, ob die Hessenwahl 1999 wegen der schwarzen Kassen und Konten der CDU wiederholt werden muss. Erklären die fünf Richter – zwei professionelle Richter und je ein Politiker von CDU, SPD und FDP – die letzte Landtagswahl für ungültig, braucht die FDP ihren Sonderparteitag gar nicht mehr einberufen.

Doch die Koalitionsparteien sind guter Hoffnung. Natürlich werde der Vertreter der SPD im Wahlprüfungsgericht für eine Wahlwiederholung votieren, so die leichte Prognose. Und die beiden Berufsrichter auch? „Ein eher unwahrscheinliches Ereignis“, so ein prophetischer Kommentar aus der Staatskanzlei. Andere machen andere Rechnungen auf. Mit 3:2 Stimmen werde das Wahlprüfungsgericht die Hessenwahl 1999 kippen. Das glaubt man auf den Oppositionsbänken. Was sonst?

Was aber passiert, wenn SPD und Grüne richtig getippt haben? Oder die FDP-Basis auf dem Sonderparteitag doch Kochs Kopf fordert? Oder vielleicht sogar Neuwahlen? Bestreitet die CDU dann trotzdem mit Koch diese Neuwahlen? Kriegt die Union dann 15,7 Prozent in Hessen? Die Grünen haben Koch gestern erneut der Lüge bezichtigt; in einem weiteren Fall soll er nicht die Wahrheit gesagt haben. Es geht dabei um einen zweiten gefälschten Rechenschaftsbericht der CDU für 1997, erstellt schon unter der Verantwortung des Parteivorsitzenden Roland Koch.

Offiziell gibt es bei der Hessen-Union noch keine Debatte um die Nachfolge. Inoffiziell werden aber schon Namen genannt. Karlheinz Weimar, aktuell Finanzminister und von 1987 bis 1991 Umweltminister des Landes, ist der Favorit der politischen Spekulanten. Auch die Kultusministerin von Baden-Württemberg, Annette Schavan, ist „im Gespräch“. Und mit wem wird die FDP nach Neuwahlen koalieren? Natürlich mit der SPD; für den Flughafenausbau. Und Frau Wagner? Ersetzt dann Frau Beimer in der Lindenstraße.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen