piwik no script img

Online-City Bremen oder Hollerland?

■ Braucht Bremens Technologie-Entwicklung das Hollerland? Eine CDU-Fachtagung zur Technologiepolitik machte die interessierte Branche zum schweigenden Publikum

Mit 200 Besuchern war der Saal im „World Trade Center“ gut voll, als die Bremer CDU in der vergangenen Woche ihre Initiative „Online City“ einem handverlesenen Fachpublikum vorstellte. Am Eingang hielt ein Unentwegter das Plakat von der „Affenschande“ gegen die Affenversuche an der Bremer Uni hoch, im Saal verteilte Gerold Janssen Flugblätter und der BUND-Geschäftsführer Joachim Seitz durfte sogar auf dem Podium sitzen und acht Minuten lang etwas sagen, ansonsten war man unter sich: Technologieinteressierte Unternehmer hatte die CDU eingeladen und ein Fachpublikum, das in der einen oder anderen Form ein berufliches Interesse an der Fortentwicklung des Technologieparks haben musste.

Um so überraschender war es, dass kein wirklicher Austausch von Gedanken stattfand. Vermutlich konnte niemand am Ende der zweistündigen Veranstaltung sagen, er habe etwas gehört. Bei einem mit acht Männern besetzten Podium war von vornherein klar, dass zwei Stunden für die „Statements“ gebraucht würden. Der Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff verbrauchte die erste halbe Stunde, um unbeeindruckt von kritischen Anmerkungen dasselbe zu sagen, was er schon mehrfach zum Konzept „Online-City“ gesagt hatte: Im Naturschutzgebiet Hollerland, also hinter der Autobahn, könnte man für 400 Studenten Wohnungen und ein modernes Dienstleistungszentrum bauen. Wenn eine Fläche von 64 Hektar drum herum dem Technologiepark zugeschlagen würde, wäre Platz für weitere Firmenansiedlungen. Eckhof geht davon aus, dass die Studentenwohnungen moderne Daten-Anschlüsse haben und dass Technologie-Firmen jeweils ein paar davon betreiben, um ihre Experten „in spe“ darin arbeitplatznah unterbringen zu können.

Wenn man die „Statements“ daraufhin abgeklopft hätte, was konkret zu dieser Idee gesagt wurde, dann wäre das durchaus eine Debatte wert gewesen. Der Bauunternehmer Kurt Zech, der auffallend viele staatliche Bauaufträge auf grünen Wiesen in Bremen bekommen hat, war begeistert und mahnte, an der schnelllebigen Entwicklung mit schnellen Entscheidungen teilzuhaben. Der BUND-Vertreter Joachim Seitz stellte klar, dass das Naturschutzgebiet Hollerland „für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht“. Das bedeutet: Wer schnell „Online-City“ haben will, muss woanders Baugrundstücke suchen. Da in dem Konzept des CDU-Fraktionsvorsitzenden weder die nach dem Naturschutzrecht erforderlichen „Ausgleichsmaßnahmen“ noch die Finanzierung der erforderlichen Autobahnbrücken für die verkehrstechnische Erschließung auch nur angesprochen waren, wäre damit auch die Frage umgangen, woher in einem seriösen Finanzierungskonzept das Geld kommen sollte.

Der frühere Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller, der seit Jahren vergeblich für den Schritt über die Autobahn plädierte und dem in der Veranstaltungsregie die Rolle des Schlussredners zugedacht war, zerstörte den Eckstein der Idee, die „Online-City“ könnte zu einem Kompromiss mit den Naturschützern führen. Es gehe ihm zunächst nur um 64 Hektar, also weniger als einem Viertel der Naturschutzfläche, stellte Haller klar: Unter 100 Hektar lohne der Aufwand nicht.

Die Kernfrage bei der Idee von der „Online City“ im Hollerland ist, ob es nicht mehr Sinn machen würde, den Technologiepark in die Stadt hinein zu entwickeln. Auf Fachebene geht es um rund 30 Hektar Fläche, die da zur Verfügung stünden und, wenn man nicht jede Umsiedlung in Bremen mit Grundstückssubventionen in den Technologiepark lockt, auf zehn Jahre ausreichen würden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen hatte dies vertreten mit dem Hinweis, Bremen plane zudem in Grohn eine neue Universität mit Technologiepark-Umfeld und es gehe auch um die „Urbanität“ als Standortfaktor. In die „Mottenkiste der Stadtentwicklung“ gehöre der Hollerland-Vorstoß, hatte die grüne Wirtschaftspolitikerin Helga Trüpel eingewandt, Wohnheime für 400 Studenten hinter der Autobahn würden den konzeptionellen Fehler, der den bisherigen Technologiepark als tote Geisterstadt entstehen ließ, nicht korrigieren.

Aber diese Positionen waren bei der CDU nicht aufs Podium eingeladen. Nur zwischen den Zeilen konnte man aus den „Statements“ Stellungnahmen herauslesen. Der Uni-Rektor etwa betonte, wie wichtig trotz der weltweiten Vernetzungen die räumliche Nähe sei: Man könne online produktiv kommunizieren und demnächst auch in Bremen wohnen, während man in Standford studiert oder forscht. Wichtig sei für die Online-Kommunikationnur, dass man sich einmal gegenübergeses-sen habe. Jürgen Timm vermied deutlich jedes Plädoyer für den Schritt über die Autobahn, und er verwies darauf, dass man von der Uni in sechs Minuten mit der neuen Straßenbahn in der City sei.

Uwe Jensen von der „Bremer Innovationsagentur“, einer nachgeordneten Firma des Wirtschaftsressorts, bekannte: „Es ist gut, dass dieses Thema diskutiert wird.“ Er brachte dann das Stichwort „intelligente Stadt“ auf, verwies auf „bestehende Netze in Bremen“, „Vorhandenes“ müsse „intelligent verknüpft“ werden. Das war bei Berücksichtigung der gebotenen Loyalität gegenüber seiner Behörde ein wahrnehmbares Plädoyer für die Alternativen zum Schritt in die Feuchtwiesen hinter der Autobahn.

Die zwei Stunden im World-Trade-Center waren alles andere als die angekündigte „Fachtagung“. Die CDU hat nun weitere Diskussionsangebote angekündigt. Das dürfte aus zwei Gründen schwierig werden. Einmal hat der CDU-Fraktionschef den Vorschlag so deutlich mit seinem Namen verknüpft, dass es für ihn fast zu einer Prestige-Frage wird. Zweitens ist das bremische Fach-Publikum für eine wirklich unabhängige Debatte zu abhängig von Wirtschaftsförder-Geldern. Viele der Gäste bei der „Fachtagung“ hätten, wenn sie nicht aus dem Umfeld von Auftrags- und Geldgebern als Publikum geladen worden wären, vielleicht etwas Interessantes zur Technologie-Politik sagen können. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen