DAS KRISENMANAGEMENT DER FDP FUNKTIONIERT AUSGEZEICHNET: Erst kommt das Fressen
Das Krisenmanagement sei „miserabel“ gewesen, warf ein Delegierter auf dem Sonderparteitag der hessischen FDP der Parteiführung vor. Wie bitte? Das Management funktionierte doch ausgezeichnet. Oder hat jemand Westerwelle schon einmal breiter grinsen gesehen als nach der Wahl im hohen Norden? Wohl kaum. 7,6 Prozent hat die FDP in Schleswig-Holstein gewonnen. Und alles war so einfach. Nur ein bisschen Streit mit den Parteifreunden in Hessen musste der Bundesvorstand anfangen. Das genügte, um wieder vertrauenswürdig zu erscheinen. Dabei war gerade die Glaubwürdigkeit der Bundespartei lange angeschlagen. Man erinnere sich etwa an Graf Lambsdorff und seine Parteispenden-Affäre oder an Jürgen Möllemann. Auf Bundestags-Briefpapier hatte der aktuelle Vorsitzende der FDP in Nordrhein-Westfalen einst die Erfindung eines Verwandten beworben.
In den letzten Wochen also durfte Parteichef Wolfgang Gerhardt wieder die Moralkeule schwingen. Gegen die hessische Parteifreundin Ruth Wagner und ihren Clan. Und Wagner spielte aus Überzeugung freiwillig mit. Ein Glücksfall für die Partei. Und die Regie stimmte. Immer dann, wenn Ruth Wagner ihre Treue zu Roland „Pinocchio“ Koch bekundete, durften sich die Landesfürsten der Partei – unterstützt vom Bundesvorstand – als „Saubermänner“ gerieren. So Wahlkämpfer Kubicki in Kiel. Aber auch Möllemann in Düsseldorf. Und niemand lachte. Alle redeten nur von der „machtgierigen“ Ruth Wagner, von ihrer Nibelungentreue zu einem Lügner und Betrüger. Und über den Verfall der Sitten ausschließlich bei der hessischen FDP. Wann gab es das zuletzt bei einer Landtagswahl?
Die Rechnung ging auf. Jetzt, nach dem großen FDP-Erfolg in Schleswig-Holstein, ist die Kritik an Wagner (fast) eingestellt. Jetzt galt es, die Koalition in Wiesbaden zu retten. Wegen der Mehrheit im Bundesrat. Die Koalition gibt es aber nur mit Koch. Also runter vom „Trip“ gegen die Hessen. Aber wie? Der Bundestagsabgeordnete Otto initiierte einen „Konsensantrag“ für den Sonderparteitag: Böse ist alleine die CDU. Und die FDP in Hessen ist autonom. Ihre Entscheidung hat nichts mit dem FDP-Bundesvorstand zu tun. Alle stimmten zu. Und der kleine Dissens am Rande? Für Koch, oder gegen ihn? Das ist schnell abgestimmt. Pro Koch. Aber auch seine Gegner erzielten ein ordentliches Ergebnis. Damit könnten alle leben, sagten Wagner und Gerhardt danach. „Alleswiedergut.“ Westerwelle war leider nicht da. Sein Grinsen am Abend nach diesem Parteitag hätten viele gerne gesehen. Oder sein Lachen gehört – über den gelungenen Coup in Hessen. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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