piwik no script img

Teufelswischer findet Meister

Bundesliga-Finalrunde im Curling: Bei den nicht für die nächste WM qualifizierten Männern dominiert die sieggewohnte Kapp-Familie, bei den Frauen wird ein Denkmal einfach hinweggefegt

aus HügelsheimHARTMUT METZ

„Der Holger wischt brutal! Er wischt ein, zwei Meter länger als ich“, erklärt Manon Harsch den Unterschied. Nicht den zwischen Hausmeister und Hausmeisterin bei der Kehrwochen-WM im Ein-Minuten-Fegen. Den im Curling. Im badischen Hügelsheim ermittelten bei der Bundesliga-Finalrunde Damen wie Herren ihre deutschen Meister.

Als „Schach auf Eis“ sehen die Curling-Cracks gerne ihr Steckenpferd. Wie beim königlichen Spiel komme es darauf an, sagt Manon Harsch vom Baden Hills Golf und Curling Club, die alle drei genannten Sportarten betreibt, möglichst weit die Platzierungen der 16 Steine vorauszuberechnen. Genauso sind wie beim Schach die Herren der Schöpfung besser. Der Biss, urteilt die Hügelsheimerin, sei bei denen einfach größer. Mit mehr Kontinuität betrieben sie zudem Curling. Hinzu gesellt sich die Kraft beim Fegen mit dem Besen, die den maximal 19,96 Kilogramm schweren Stein im Zweifelsfall ein bis zwei Meter länger auf dem aufgeriebenen Eis gleiten lässt. Trotz der höheren Qualität bei den Männern stand diesmal aber bei der DM das wischschwächere Geschlecht im Mittelpunkt. Grund: Bei den Frauen ging es um die WM-Teilnahme, während bei den Männern Titelverteidiger Daniel Herberg (EC Oberstdorf) bei der letzten Europameisterschaft als erster Deutscher seit 32 Jahren keinen WM-Startplatz sichern konnte. Nur zu Rang elf hatte es nach dem 4:5 gegen Luxemburg gereicht, „das dabei sein Spiel des Jahres bot“, wie Andreas Kapp klagt. Der Olympia-Teilnehmer empfindet die Pleite als „bitter“, weil nun keine Punkte bei der WM für einen Startplatz bei den Olympischen Spielen 2002 gesammelt werden können. Der Skip des CC Füssen ließ sich trotz der Enttäuschung nicht vom Erfolgspfad abbringen und heimste seinen siebten Hallentitel ein. Kapp brachte es auf 9:3 Siege inklusive des ersten Bundesliga-Durchgangs in Hamburg.

Erstmals gab es auch eine Einzel-Meisterschaft. Diese wurde nicht etwa für Curler geschaffen, die zu faul zum Wischen sind. Mehr steckt der Gedanke aus dem Cadre-Billard dahinter: 20 Bilder sind vorgegeben. Bei zehn Übungen versucht der Spieler Steine ins Haus zu legen (Draws), bei zehn (Take-outs) sollen sie hinausgeschossen werden. Je nach Güte der Ausführung gibt es Punkte, insgesamt 100. „Ein gutes Training“, nennt Andy Kapp den neuen Wettbewerb, „weil die 20 Formationen häufig vorkommen.“ Seine Nummer drei im Team, Bruder Uli, war in Hügelsheim nicht zu schlagen und sicherte mit dem 62:55 im Finale gegen besagten Hügelsheimer „Teufelswischer“ Holger Hetzel als erster deutscher Einzel-Champion der Familien-Dynastie (Vater Charly war schon Europameister) einen weiteren bedeutenden Titel.

Die Überraschungssiegerin ist zuversichtlich für die WM

Bei den Frauen kam es zum Sturz eines Denkmals: Die Ex-Weltmeisterin und sechsfache Europameisterin Andrea Schöpp kassierte drei Niederlagen und musste Petra Tschetsch den Vortritt lassen. Obwohl deren Füssener Team zwei Jahre pausiert hatte, verlor es nur eines der zehn Duelle. „Wir spielten konstant gut“, befand Tschetsch und gab sich „zuversichtlich für die WM“. In Glasgow peilt die neue deutsche Meisterin im April das Halbfinale an. „Das ist realistisch.“

Die anschließende Feier geriet durch den Sieg von Petra Tschetsch feuchtfröhlicher als sonst. Zum einen hat Schöpp schon manch eigene Mitspielerin verprellt. Zum anderen entsprang die Freude über den Erfolg von Tschetsch auch einem ungeschriebenen Gesetz, das Seriensiegerin Schöpp stets wenig scherte: Im Curling spendiert der Gewinner dem Unterlegenen nach dem Spiel einen Drink.

Den Erfolg gegen Schöpp wollte die neue deutsche Meisterin keineswegs nur als Triumph für einen Tag eingeordnet wissen. Unverblümt sprach Petra Tschetsch von einem „Meilenstein“ und schreckte auch vor dem Begriff „Wachwechsel“ nicht zurück. „Das hoffe und glaube ich nicht“, konterte die 35-jährige Andrea Schöpp. Der Skip des SC Rießersee/CC Schwenningen will ihrem Dutzend DM-Titel durchaus noch weitere hinzufügen. „Was macht eine verpasste WM schon?“ Die Herren sehen das ganz anders.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen