: 60 Zeilen Freude
Freundlich winken Jakob Arjouni und Jörg Fauser:Ulrich Wortmanns Hamburg-Roman „Stresscontainer“
Dies ist Hamburg und nicht Boston: So hieß in den späten Achtzigern ein Sampler, auf dem Hamburger Musiker sich in ein Verhältnis zu den seinerzeit regierenden Gitarrenbands aus den Staaten setzen wollten.
Nach der Lektüre von Ulrich Wortmanns Büchlein „Stresscontainer“ möchte man ausrufen: Dies ist Hamburg und nicht Berlin, dies ist Ulrich Wortmann, und nicht einer von unzähligen Popliteraten und Berlin-Roman-Schreibern! Wortmanns Held Hagen hat überhaupt nichts zu tun mit den vielen angeschlagenen Helden aus der neueren deutschen Literatur. Hagen macht zwar auch nicht den besten Eindruck: Mit Frauen hat er gerade ein Problem, mit dem Geldverdienen als Kamerassistent ist es so eine Sache, und sein bevorzugtes Nahrungsmittel ist Bier. Doch Hagen kokettiert weder mit Lebensüberdruss und Pop-Traurigkeit, noch sucht er sein Heil in Styles und ausgesuchten Posen. Hagen ist, wie er ist, ein bisschen sarkastisch, aber lieb, und unermüdlich stromert er durch Hamburger Bars und Straßen, um mal mehr, mal weniger seiner Entdeckung Thekla nachzustellen.
Wortmann erzählt das alles mit Hingabe und in knappen, präzisen Sätzen, und er scheut sich auch nicht vor Jungsjargon wie „Na logen“ (Na logo) und „Alder“ (Alter). Ganz freundlich winken aus seinem „Stresscontainer“ Jakob Arjounis Kayankaya oder die Helden von Jörg Fauser herüber, ganz ohne Greinen kommen der 40-jährige Wortmann und sein Hagen aus.
Welcome to the eighties, nineties? Na logen, Figuren wie Hagen hat es immer gegeben, wird es immer geben. Wenn ganz Hamburg aber untergehen sollte vor lauter DJs, Fahrradkurieren, Skateboardern und Frauen, die keiner mehr versteht: Hagen schwimmt trotzdem oben. gb
Ulrich Wortmann: „Stresscontainer“. Ventil-Verlag, Mainz 2000, 116 Seiten, 22 DM
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