wohnungsverkäufe: AUGEN ZU UND DURCH
Für alles gibt es in Berlin eine Perspektive. In der Wohnungspolitik heißt diese „Haushaltskonsolidierung durch Vermögensverkäufe“. Ohne Verkäufe von Wohnungen und ganzen Gesellschaften, so die Logik der Perspektive, keine Haushaltskonsolidierung.
Eine andere Perspektive vertritt der Berliner Mieterverein. Der spricht bereits von einer neuen Wohnungsnot. Nicht die Haushaltslage, sondern das Angebot an Mietwohnungen, vor allem preiswerten, bestimmt beim Mieterverein die Logik der Argumentation. Und in der Tat: Die Lage ist ernst. Wohnungen fallen aus der Sozialbindung, neue Sozialwohnungen werden nicht gebaut, der Anteil der Mietzahlungen am Haushaltseinkommen wächst.
Und dann gibt es noch die Perspektive der Eigentümer. Auch hier sind die guten Zeiten vorbei, hat etwa der Rückgang der Abschreibungen für Neubauvorhaben inzwischen dafür gesorgt, dass das Kapital lieber in Aktien angelegt wird.
Viele Perspektiven also, die bei aller Unterschiedlichkeit doch eine Schlussfolgerung zulassen. Der Markt wird es eben doch nicht richten. So bequem auch der Hinweis auf den entspannten Wohnungsmarkt zu sein scheint, so lässt er doch die anderen Perspektiven außer Acht. Und zu denen gehört, man traut es sich ja fast nicht mehr zu sagen, auch die Perspektive derer, die nach Berlin kommen. Weniger die Gutbetuchten sind das als vielmehr diejenigen, die auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind.
Damit wären wir wieder am Anfang angelangt, dem Anfang des sozialen Wohnungsbaus. Der wurde schließlich aus der Einsicht geboren, dass sich die öffentliche Hand ihre Wohnungspolitik deshalb etwas kosten lassen muss.
Eigentlich könnte man von der Politik auch heute erwarten, dass sie die verschiedenen Perspektiven, unter anderem auch die sozialen Folgekosten der Privatisierung, berücksichtigt. Dass sie Bevölkerungsprognosen, Wohnungsmarkt und Wirtschaftsentwicklung zusammendenkt. Eigentlich. Doch die Perspektive von Strieder und Co. heißt vielmehr Augen zu und durch.
UWE RADA
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