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Das Kindermädchen abgeschaltet

Hacker aus Schweden und Kanada haben den Quellcode des Filter-Programms „Cyber Patrol“ geknackt und öffentlich zugänglich gemachtvon Verena Dauerer

Wie hält man einen gelangweilten Studenten im Rechenzentrum davon ab, sich gemeingefährliche Web-Seiten anzuschauen oder gar beim Chatten mit unflätigen Schimpfworten zu gebrauchen? Ein virtuelles Kindermädchen haut ihm auf die Finger, lässt den Browser ins Leere laufen und verwandelt das getippte four letter word in eine Kette von „x“ um.

Die um die Jugend besorgten Programme heißen Cyber Patrol, Net Nanny, I-Gear, SurfWatch. Sie sind in der Regel übereifrig beim Sperren von Seiten mit angeblich anstößigen, gewalttätigen, militanten und satanischen Inhalten. Das kann jeden treffen, wie geschehen den Kontaktseiten der jüdischen Brieffreunde, der Digitalversion von „Jane Eyre“ oder der Stadt Hiroschima.

Die Wachprogramme nehmen es auch nicht so genau mit der Pressefreiheit und bannen unliebsame Artikel im Netz. Welche Seiten sie sperren, wollte außer Net Nanny und Cyber Snoop bisher niemand verraten. Diese Art der Zensur reizt nun aber hackfreudige Nerds, die Verbotslisten der Software zu knacken: Anfang März veröffentlichte www.Peacefire.org, eine ziemlich aktive Internetorganisation gegen Zensur, eine Entschlüsselungsanleitung für den Code der Software I-Gear. Sie belegte außerdem, dass 76 Prozent der No-Sites veraltet oder völlig harmlos waren. Natürlich steht Peacefire bei allen Kindermädchen auf der Abschussliste.

Nur nützt die Offenlegung der Listen allein den Kids zu Hause am PC aber noch nichts, solange sie das Programm ihrer Eltern nicht ausschalten können. Und dafür bereicherten am 11. März Eddy Jansson aus Schweden und Matthew Skala aus Kanada die Internetgemeinde mit ihrem Programm „cphack“ und einer Beschreibung des Codes von Cyber Patrol, einem der ausgereifteren Kindermädchen. Geknackt hatten die beiden Cyber Patrol durch „reverse engeneering“, also indem sie das Programm in seinen Quellcode zurückübersetzten.

Mit dem Ergebnis lassen sich nicht nur die etwa 80.000 gesperrten Seiten durchforsten, auch die Passwörter und Konfigurationen von Cyber Patrol können eingesehen und verändert werden.

Peacefire legte nach und gab nützliche Tipps, wie man Cyber Patrol auch noch einfacher lahmlegt: Es reicht schon, die zwei Ordner, auf die das Programm für gesperrte und erlaubte Seiten zurückgreift, durch zwei leere zu ersetzen. Die Software bleibt aktiv, aber wirkunslos.

Das ist kinderleicht, für eine komplette Deinstallation muss man dagegen schon im System herumpfuschen. „Cphack“ jedoch war den Software-Firmen Microsystems und Mattel in jedem Fall zu viel des Guten. Sie reichten am 16. März in Massachussetts eine Klage wegen – mal wieder – Urheberrechtsverletzung gegen die Hacker und ihre Provider Scandinavian Online und Islandnet.com. Letzten Freitag erwirkte das amerikanische Gericht eine einstweilige Verfügung, worauf die Provider eingeschüchtert die Hackerseite von ihrem Server nahmen.

Das ist nicht weiter tragisch, schließlich war die Cphack-Seite mehrere dutzend mal gespiegelt worden. Die jeweils aktuell zugänglichen Adressen findet man am besten unter Peacefire.

vdauerer@t-online.de

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