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Mit Gentech gegen den Hunger

Die internationalen Agrarforschungszentren setzen auf gentechnisch veränderte Pflanzen, um den Welthunger in den Griff zu bekommen. Vernächlässigt werden dabei die traditionellen Anbaumethoden der lokalen Bauern

von MAIKE RADEMAKER

Rund 840 Millionen Menschen hungern, Millionen sind unterernährt. Gleichzeitig fällt bis zu einem Drittel der Getreideernte in Entwicklungsländern jährlich Schädlingen zum Opfer, wächst die Weltbevölkerung an, versalzt und verschwindet Agrarland. Seit 30 Jahren kämpfen die internationalen Agrarforschungszentren der CGIAR (Consultative Group on International Agricultural Research) gegen diese Probleme an. Ohne die Erfolge bei den Ertragssteigerungen schmälern zu schmälern – gelöst haben die Forscher das Problem nicht. Nun sehen sie aber ein neues Licht: Mit den Forschungsergebnissen der Gentechnik, von Herbizidresistenzen bei Pflanzen bis Vitamin-A-Reis könnte eine neue Ära anfangen. Es erscheint logisch, die Ernährung von Milliarden Menschen zu sichern, in dem durch gentechnisch veränderte Pflanzen Resistenzen gegen Schädlinge geformt werden und Sorten entstehen, denen Kälte, Salz, Hitze nichts ausmachen.

Die Regierungen vieler Entwicklungsländer brennen darauf, solche Gentech-Ergebnisse anzuwenden. Die Bevölkerung allerdings ist skeptisch: Oft kaum des Lesens mächtig, sind ihnen die Erklärungen der Forscher über das, was da auf ihren Feldern wachsen soll, genauso unheimlich wie die der kritischen NGOs. Das Internationale Forschungsinstitut für Ernährungspolitik in Washington (IFPRI), eines der CGIAR-Zentren, hält den Einsatz gentechnologischer Verfahren jedenfalls vor dem Hintergrund von Hunger und Bevölkerungswachstum für unumgänglich.

Die Frage, die sich aber Kritiker und auch die Forscher selbst stellen, ist, für welche Bauern nun was und mit Hilfe von wem erforscht wird. Das ist vor allem ein Kostenproblem: 1992 standen die Zentren, deren Finanzierung die Mitglieder freiwillig betreiben, kurz vor dem Kollaps. Also suchen die Zentren die Mitarbeit der privaten Forschung. Schon jetzt kooperieren die CGIAR-Zentren in vielfältiger Form mit der „Life Science“-Industrie: Das reicht vom Informationsaustausch bis zur Entwicklung von Gen-Kartoffeln und einer engen politischen Kooperation. In den Aufsichtsräten der 16 Zentren sind die Firmen laut dem „Forum Umwelt und Entwicklung“ jetzt schon vertreten.

Die Industrie hat aber ihre Methoden patentiert, um die hohen Entwicklungskosten wieder eintreiben zu können. Damit ist schon zweifelhaft, ob bei Anwendung durch die Zentren die Forschungsergebnisse wie bisher den armen Bauern kostenlos zur Verfügung stehen werden. Dazu kommt, dass die private Forschung sich auf lukrative Felder konzentriert: Nicht die Schädlingsresistenz steht im Vordergrund, sondern die Herbizidresistenz ist das Paradepferd. Aber auch wenn nach Resistenzen gegen Schädlinge gesucht wird, ist die Anwendergruppe nicht unbedingt identisch mit der Zielgruppe der CGIAR-Zentren, den Armen. So entwickelte die Universität in Hawaii eine virusresistente Papaya, deren Samen auf Hawaii, wo ein Ringvirus zahlreiche Papaya-Plantagen zerstört hat, ein Hit ist. Gesichert wird damit allerdings weniger die Ernährung der lokalen Bevölkerung, als der Export. Öko-Papaya-Bauern fürchten andererseits, dass ihre Plantagen nicht mehr Gentech-frei bleiben, wenn nebenan die resistente Sorte wächst.

Auch der Leiter der CGIAR-Gruppe, Ismail Serageldin von der Weltbank, weiß um diese Probleme. Er verlangt deswegen eine neue Form öffentlich-privater Partnerschaft, die für beide Seiten von Nutzen ist: Für die öffentlich finanzierten Forscher, die nicht direkt auf Gewinnmaximierung setzen, und für die privaten Investoren. Bei den regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) und manchen Experten geht die Skepsis gegenüber der Gentechnologie wesentlich weiter – auch wenn es gleichzeitig eine vorsichtige Kooperation zwischen den Zentren und den NGOs gibt. Bislang schon hätten sich die Zentren viel zu sehr auf die Erforschung der wenigen klassischen Hochertragssorten konzentriert, schreibt der Entomologe Miguel Altieri von der Universität Berkeley in Kalifornien in einem Konferenzpapier. Zahlreiche Sorten und die über Jahrzehnte ausgeklügelten Anbaumethoden der kleinen Farmer würden immer noch viel zu sehr vernachlässigt. Mit der Gentechnik würde der genetischen Homogenität in der Landwirtschaft weiter Vorschub geleistet – ein Schlaraffenland für die Schädlinge, denen die genetischen Einheitspflanzen nichts entgegenzusetzen haben. Die traditionellen landwirtschaftlichen Methoden allein seien nicht die Lösung für das Welthungerproblem, sind aber als Teil der Lösung bisher vernachlässigt worden. Anne Waters Bayers vom Verein Agrecol fordert deshalb die Zusammenarbeit mit den Bauern und den NGOs. Die bisherigen Lernprozesse der Zentren seien nur eine teilweise Abkehr von dem herkömmlichen Ansatz eines Technologietransfers, der von den Forschungsstationen über den Beratungsdienst zu den Bauern ging. Der aktuelle Trend zur Biotechnologie könne diesen einseitigen Weg erneut einschlagen, erläuterte sie bei einer Tagung in Bonn.

Im Mai haben die Diskutanten die Gelegenheit, sich auszusprechen und der Öffentlichkeit ihre bislang recht unbekannte Arbeit vorzustellen: Zum ersten Mal seit der Gründung 1996 treffen sich vom 21. bis 23. Mai die Mitglieder des „Global Forum on Agricultural Research“ (GFAR), Forscher, Industrie und NGOs in Deutschland in Dresden.

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