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Galgenfrist für die Kultur

■ Senatsvorlage zu Kultur-Kürzungen: Bis 2005 soll Bremens Kulturhaushalt 11,7 Millionen abspecken, für 2000/2001 „beantragt“ der Senat einen Zuschlag

Die Bremer Kultur-Initiative „Anstoß“ hat dem Präsidenten der Bürgerschaft, Christian Weber, gestern über 4000 Postkarten auf den Arbeitstisch gekippt. „Wir fordern, dass die zum Erhalt der Bremer Kulturlandschaft notwendigen öffentlichen Mittel zuverlässig bereitgestellt werden“, erklärten Klaus Pierwoß und Kathrin Rabus von „Anstoß“ den Sinn der Aktion. Weber wollte sich nicht recht auf die Zustimmung zu dieser Forderung festlegen, wenn demnächst im Parlament der Haushalt beraten wird.

Was der Senat am kommenden Dienstag zum Thema Kulturfinanzierung beschließen wird, entspricht auch keineswegs diesen Forderungen. „Über erforderliche Einzelmaßnahmen inkl. der Einstellung der Förderungen“ für einzelne Kultur-Projekte soll im Sommer „umgehend entschieden“ werden, kündigt das Schulte-Ressort an. Für die Jahre 2000 und 2001 soll der Senat eine Zulage auf den 133-Millionen-Etat von jeweils elf Millionen „beantragen“, steht in dem Senatsbeschluss-Entwurf.

Die Zustimmung des Finanzsenators zu diesem 11-Millionen-Zuschlag für zwei Jahre hat sich das Kulturressort erkauft durch die Zustimmung zu einer Knebel-Formel, die für die Zeit danach gilt: Dieser Zuschlag soll der letzte sein. Wenn das Kulturressort die geplanten Einsparungen von ca. 11,7 Millionen nicht hinbekommt, dann soll „kein weiterer Mehrbedarf“ mehr akzeptiert werden. Im Klartext: Ab 2002 soll jede Etatlücke durch Schließungen von Einrichtungen vermieden werden.

Das Spar-Programm des Ressorts ist dabei so allgemein und unausgegoren, dass dieser worst-case-Fall absehbar ist. Zum Beispiel plant die Kultur-Behörde Einnahmen aus „Sponsering“ ein, um eigene Kürzungen zu ersetzen – jedes Jahr mehr und im Jahre 2005 glatt 4,2 Millionen Mark. Zum Beispiel soll die Spielstätte „Concordia“ geschlossen werden, mit der gerade der Vertrag bis Ende 2004 verlängert wurde. Zum Beispiel sollen Volkshochschule, Stadtbibliothek und Musikschule verschmolzen werden, für die Volkshochschule wird aber gerade die Position des Direktors neu besetzt. Was soll die Zusammenlegung bringen? „Mir hat bisher niemand den Sinn erklärt“, sagt Bibliotheks-Leiterin Barbara Lisson. Welche Einsparungen damit verbunden sein sollen, kann sich auch der kommissarische Leiter der VHS, Horst Rippien, nicht vorstellen.

Den früheren Entwurf für die Kulturplanung bis 2005 (vgl. taz 29.3.) hat die Behörde kaum nachgebessert. Drei Prozent mehr Einnahmen sollen die Einrichtungen jedes Jahr erwirtschaften, „bzw. 20 Prozent bis zum Jahre 2005“ stand in dem Entwurf vom 21. März. Fünf mal drei gleich 20? In der Senatsvorlage werden nun aus fünf mal drei schlanke 16 Prozent im Jahre 2005. Drei Prozent Einnahme-Steigerung jedes Jahr seien völlig unrealistisch, hatten die Einrichtungen schon vor Wochen protestiert.

Konkretisierungen aus dem Entwurf wie die, dass die institutionelle Förderung für Schnürschuh und Junges Theater gestrichen und Ersatz aus Lotto-Mitteln versprochen wird, sind gestrichen worden. Das Ziel, „institutionelle Förderungen“ in die flexiblere Form von „Projektförderung“ umzustellen, bleibt allerdings. Gesucht wird auch ein privater Investor, der sich gern an den Verlusten des Theaters beteiligen will. Gespart werden soll auch an den soziokulturellen Zentren – was eher „Sozialarbeit“ ist, soll nicht mehr vom Kultur-Ressort bezahlt werden. Wer davon betroffen ist, steht da nicht. Stand im Entwurf noch, dass die 300.000 Mark Förderung des Medienzentrums Walle aus dem Wirtschaftsressort bezahlt werden sollen, wurde diese Präzisierung gestrichen – offenbar hat das Wirtschaftsressort abgewunken. Die angepeilte Spar-Summe ist allerdings geblieben.

Geblieben ist auch das offene Problem, wie die höhere Miete der Stadtbibliothek nach dem Umzug ins Polizeihaus bezahlen soll. Darüber soll mit dem Finanzsenator weiter verhandelt werden.

Auch beim Staatsorchester will die Behörde sparen und freie Stellen nicht besetzen – „Optimierung des jetzigen Organisationsbetriebes“ heißt das im Behörden-Deutsch.

Beim Thema „Bildende Kunst“ ist die Rede von einem „zentralen museumspädgogischen Angebot“, die Städtische Galerie soll von der Schwankhalle und die Graphothek als „Agenturmodell“ betrieben werden. „Von bildender Kunst haben die keine Ahnung in der Behörde“, kommentiert die Galeristin Kathrin Rabus diese Vorschläge zur „Optimierung“.

Wie allgemein und nebulös die einzelnen Maßnahmen zur Einnahmeerhöhung und Kosten-Ersparnis auch formuliert sind, unter dem Strich ist das Ziel klar formuliert: Um 11,67 Millionen Mark soll der Kulturetat im Jahre 2005 abgespeckt sein, und ein Staatsräte-Controlling soll dafür sorgen, dass Einrichtungen geschlossen werden, wenn die Spar-Ziele absehbar nicht erreicht werden. Risiken wie „Abfindungen“ würde der Finanzsenator außerhalb des Kulturetats finanzieren. K.W.

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