: Der erste Gast war ein Kommunist
Der spanische Regierungschef Aznar verspricht zum Beginn seiner zweiten Amtszeit den Dialog mit allen politischen Kräften. Erstmals haben auch die kanarischen und katalanischen Nationalisten für die Regierung in Madrid gestimmt
aus Madrid REINER WANDLER
Spaniens Regierungspräsidenten José María Aznar ist der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen. Trotz seines Wahlsieges am 16. März, der seiner Volkspartei (PP) 183 der 350 Parlamentssitze einbrachte, will er die nächsten vier Jahre im „ständigen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften“ regieren. Eine Haltung, die ihm bereits bei der Investitur im Parlament Erfolge einbrachte. Die 15 Abgeordneten der katalanischen Nationalisten von Convergència i Unió (CiU) und die vier Vertreter ihres kanarischen Pendants, Coalición Canaria (CC), wählten gestern Aznar mit zum neuen Regierungschef.
Die nationalistischen Formationen unterstützen damit erstmals eine Zentralregierung, ohne dass diese auf die Stimmen aus den Regionen angewiesen wäre. „Wir wollen damit die großen Staatsprojekte unterstützen, die Spanien vor sich hat“, begründete CiU-Sprecher Xavier Trias den ungewöhnlichen Schritt.
Aznar verspricht gleich ein ganzes Reformpaket Nachdem er Spanien in die einheitliche europäische Währung geführt hat, will er bis Ende 2001 den Staatshaushalt ausgleichen. Senkungen bei der Einkommensteuer und bei den Abgaben der Klein- und Mittelbetriebe sollen Konsum und Wirtschaft ankurbeln. Damit hofft Aznar auch weiterhin den Arbeitsmarkt anregen zu können. In den letzten vier Jahren entstanden in Spanien täglich über 1.000 neue Stellen. Jeder zweite neue Arbeitsvertrag in der EU wurde damit auf Spanisch ausgestellt.
Neben dem mit 3,7 Prozent höchsten Wirtschaftswachstum in der Union gelang es Aznar, Gewerkschaften und Unternehmer an einen Tisch zu bringen. Anstatt per Dekret – wie dies unter seinem Vorgänger Felipe González der Fall war – wurde der Arbeitsmarkt im beiderseitigen Einvernehmen reformiert. Dass Spaniens Konservative auch künftig am Dialog mit den Gewerkschaften interessiert sind, daran lässt Aznar keinen Zweifel. Der erste Gast im Regierungspalast nach dem Wahlsieg war der Generalsekretär der kommunistischen CCOO. Der Chef des Unternehmerverbandes musste warten.
„Spanien muss seine Zukunft konstruieren“, mahnte Aznar zu Beginn der zweitägigen Parlamentsdebatte. Deshalb soll in den Schulen noch mehr Gewicht als bisher auf die Sprachausbildung gelegt werden. Ein neu geschaffenes Ministerium für Technologie und Wissenschaft soll die Forschung im Lande anregen und verhindern, dass weiterhin die spanische Wissenschaftlerelite in die USA abwandert.
Nur mit den Abgeordneten der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) ging Aznar hart ins Gericht. Er warf ihnen einmal mehr vor, den „demokratischen Weg verlassen“ zu haben. „Wann werden sie Ihr Scheitern eingestehen?“, musste sich PNV-Sprecher Iñaki Anasagasti fragen lassen. Seine im Baskenland in Minderheit regierende Formation unterhält auch nach der Rückkehr der bewaffneten Separatistenorganisation ETA weiterhin Kontakte mit deren politischem Arm Herri Batasuna. Um ETA erneut zu einem Waffenstillstand zu bewegen, spricht die PNV nicht mehr vom Ausbau der Autonomie, sondern von der Unabhängigkeit.
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