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Auf die Kumpel ist immer Verlass

Bei der Wahl in NRW braucht die SPD jede Stimme. Die Bergbau-Gewerkschaft hilft mit – ganz ungeniert

DUISBURG taz ■ 17. April: Die Oberhausener Arena ist prall gefüllt. 4.000 Menschen sind gekommen, um dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) zuzujubeln. Auf der Bühne und im Publikum finden sich zahlreiche Gewerkschafter, einige haben sich für diesen Abend sogar von der Arbeit freistellen lassen. Jetzt wurde bekannt: Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hatte ihre Leute ganz offiziell zur Teilnahme aufgefordert.

Es ist Wahlkampf in NRW, da hat die altmodische Selbstverpflichtung der Einheitsgewerkschaften zur parteipolitischen Neutralität keinen Platz. Jedenfalls nicht bei der IG BCE. Es gilt, bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag für die SPD das Terrain zurückzuerobern, das sie bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr gerade bei den Malochern im Ruhrgebiet verloren hat. Also verschickte der Betriebsrat des Bergwerks Duisburg-Walsum Anfang April einen Brief an „alle Vertrauensleute des Bergwerkes Walsum“.

Mit dem Briefkopf der IG BCE versehen, fordern die Gewerkschaftsfunktionäre ihre Kollegen zur Teilnahme an dem Oberhausener SPD-Wahlkampfevent auf. In dem Schreiben, das der taz vorliegt, heißt es: „Selbst wenn Du anderer politischer Ansicht bist, halten wir es Sinne des deutschen Steinkohlebergbaus für wichtig, dass auch Du an dieser Veranstaltung teilnimmst.“ Und weiter: „Wir bitten Dich daher, diese Veranstaltung als Pflichtveranstaltung für Vertrauensleute anzusehen.“

Eine SPD-Wahlkampfveranstaltung als Pflichttermin für Gewerkschafter? Manfred Kögler reagiert unwirsch. Der Brief, der auch seine Unterschrift trägt, sei eine „Fälschung“, behauptet der stellvertretende Walsumer Betriebsratsvorsitzende. Das ist gelogen. Denn Detlef Fahlbusch, Landesbezirksleiter der IG BCE Nordrhein, bestätigte gegenüber der taz die Authentizität des Schreibens. Die Bergleute seien Wolfgang Clement dankbar, weil er sich 1997 gegenüber der alten Bundesregierung für den Erhalt der Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau eingesetzt habe.

„Vor diesem Hintergrund halte ich es für legitim, wenn die Vertrauensleute der IG BCE eine Teilnahme an einer Veranstaltung der SPD organisieren“, so Fahlbusch. Er habe auch „kein Problem mit der Nutzung des Briefbogens der IG BCE“. Dass in dem Brief von einer „Pflichtveranstaltung“ gesprochen wird, sei allerdings „missverständlich“. Gemeint sei damit „keine rechtlich verpflichtende Aufforderung“, sondern nur „der Hinweis auf eine besondere politische Bedeutung der Veranstaltung“.

Für den kleinen Koalitionspartner der SPD ist der Wahlkampfeinsatz der IG BCE „unverständlich“. Grünen-Spitzenkandidat Michael Vesper nannte das Verhalten der Gewerkschaft gestern gegenüber der taz ein „Zeichen von politischer Unmündigkeit“. Das Schreiben der Betriebsräte erinnert den stellvertretenden Ministerpräsidenten „an die alten Hirtenbriefe der katholischen Kirche, in denen zur Wahl der CDU aufgefordert wurde. „Diese Zeiten sind eigentlich vorbei.“ PASCAL BEUCKER/MARCUS MEIER

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